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Neuer Senioren-Typus sucht nach alternativen Wohnformen für letzten Lebensabschnitt.

Stuttgart - Ein neuer Senioren-Typus sucht nach alternativen Wohnformen für den letzten Lebensabschnitt. Von Alten-WGs, Mehrgenerationenhäusern, Baugemeinschaften und einer der größten sozialpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre.

Die Zukunft des Wohnens beginnt in einem alten Backsteinbau des Stuttgarter Westens. Im Hinterhof-Atelier von Michael Dirk. Zwischen Pinseln und Farben, zwischen Entwürfen und fertigen Bildern trifft sich hier einmal im Monat die Gruppe Novemberprojekt - 15 Menschen zwischen 60 und 87 auf der Suche nach neuen Wohnformen für das Alter. Für ihr Alter. Man kennt sich, man mag sich. Jeder wird überschwänglich begrüßt: "Ja, die Heidi!", ruft Michael Dirk, Kopf der Gruppe und einer der wenigen Männer. So wie die rothaarige Heidi stellt man sich gemeinhin die neuen agilen Alten vor. Sie hat als Personalbeschafferin bei einem Autobauer in der Stadt gearbeitet und mit ihrem Mann auf dem Land im Remstal gelebt. Heute deprimiere sie die viele Natur vor ihren Fenstern, sagt die Witwe. Sie will zurück ins Urbane, wo sie im Eine-Welt-Laden arbeitet und Patienten im Krankenhaus besucht. "Ich will leben", sagt die Mittsechzigerin.

Beim Novemberprojekt hat sie Menschen getroffen, die so denken wie sie. Ihre Idealvorstellung ist es, gemeinsam und selbstbestimmt zu leben. In miteinander verbundenen Wohnungen - nicht notwendigerweise durch allzeit offene Türen, aber durch ein "Netzwerk gegenseitiger Hilfe".

Die Kinder der Kriegsgeneration werden alt und damit ein ganz neuer Typus von Senioren. Das weiß jeder, der die gepflegten grauhaarigen Damen und Herren aus der Kosmetikwerbung kennt, die Doku-Soap "Silver Girls" auf Arte verfolgt hat oder einfach die eigenen Eltern beobachtet. Menschen, die mit 65 aussehen wie 50. Die mit Studiosus die Welt bereisen und statt zur Bibelstunde ins Yogastudio eilen. Die lieber Univorlesungen hören oder zur Stuttgart-21-Demo gehen, als Enkel zu hüten. Es ist eine breite Mittelschicht, die noch den Mief der 50er kennt und sich 68 emanzipiert, das WG-Leben ausprobiert hat und die es in den Boomjahren zu einem schönen Finanzpolster brachte. Altersheim, allein dieses Wort treibt sie an, nach Alternativen zu suchen.