Karl-Henning Seemann ist in seinem prächtigen Garten nicht nur von alten Bäumen, sondern auch von seinen Skulpturen umgeben. Foto: factum/Granville

Der Künstler Karl-Henning Seemann lebt in einer riesigen Villa, die von einem parkähnlichen Grundstück umgeben ist. Gegen die Einsamkeit helfen die zahlreichen Skulpturen im Garten.

Löchgau - Das weiße Gartentor summt und öffnet sich, mehrere Steinstufen führen nach oben. Und dann, ganz plötzlich, steht man im Paradies. Zumindest für jemanden, der sich für verwunschene und verzweigte Gärten begeistern kann, muss der Garten des Künstlers Karl-Henning Seemannin Löchgau wie der Garten Eden anmuten. Hier stehen 100 Jahre alte Linden, Buchen und Kiefern neben Walnuss- und Kastanienbäumen, einer kalifornischer Tanne und einem dunkelroten Ahorn. Ein zentimeterdicker Efeuteppich überwuchert den Boden an vielen Stellen.

„Diese Mauer hier im Norden sammelt das Sonnenlicht aus dem Süden und strahlt so viel Wärme ab, dass sogar unsere Feigenbäume gedeihen“, erzählt der 82 Jahre alte Karl-Henning Seemann stolz, während er den Besuchern seinen Garten zeigt. Rosen ranken sich meterhoch die Bäume hinauf, Flieder steht büscheweise beieinander, einige Meter weiter strahlen Hortensien in Blau, Weiß und Rosa. Die Pfingstrosen sind zwar schon verblüht, doch man vermag sich lebhaft vorzustellen, welch ein Duft durch diesen parkähnlichen Garten im Sommer weht.

Hier wachsen Hunderte Bäume und Büsche

Doch an diesem paradiesischen Platz wächst und gedeiht nicht nur die Natur prächtig, sondern es ist auch ein Platz der Kunst: Inmitten der Pracht stehen Seemanns Skulpturen – jedenfalls ein kleiner Teil davon. Da wären die „Diskuswerfer“ in ihrer ausdrucksstarken Bewegung; auch der „Zinkschmelzer“ verrät einiges über die Gedanken des Künstlers. „Bewegungsdynamik in die Statik der Plastik zu bringen, ist eines der großen Probleme, das mich schon mein ganzes Leben lang beschäftigt“, sagt Seemann und geht raschen Schrittes weiter zu seiner Skulptur „Nachrichtenübermittlung“. Vor vielen Jahren habe er von der Bundespost den Auftrag erhalten, eine Arbeit für den Vorplatz des Unternehmenssitzes zu erschaffen. Das Thema sollte sein, wie man die Bewegung einer Nachrichtenübermittlung in ein Kunstwerk verpackt. Herausgekommen sind zwei Staffelläufer, die den Staffelstab in Form von Papierrollen an die nachfolgenden vier Läufer übergeben.

Kein Fleckchen ist horizontal

Viele Zweitgüsse stehen in Seemanns Garten; immer, wenn es sich bei einem Auftrag angeboten habe, habe er einen zweiten Guss anfertigen lassen, berichtet der Bildhauer. Über seine Kunstwerke kann er zwar vieles erzählen, doch für den Garten und all die vielen Pflanzen ist seine Frau Adelheid zuständig. „Wir hüten alles, damit es sich nach seiner Fasson entwickeln kann und machen nur so viel im Garten, dass nicht alles von wilden Brombeeren überwuchert wird“, sagt sie. Hier stehe eben alles irgendwie, nichts sei sortiert oder geordnet; für das Auge ist dies sowohl erfrischend als auch erholsam. Kein Fleckchen in ihrem Garten sei genau horizontal, überall sei eine Schräge. „Jemand anders würde wahrscheinlich alles terrassieren und begradigen, aber uns gefällt es so, wie es ist“, sagt Adelheid Seemann und entschuldigt sich im selben Atemzug, dass es in einer Sitzecke mit Gartenmöbeln aussehe „wie in einer Gartenwirtschaft“. Daneben bewegt sich eine alte Schaukel der Enkel sacht im Wind, weiter hinten im Gebüsch blickt eine Kuh – Seemanns erstes Werk aus dem Jahr 1956 – den Betrachter an.