Eine Prise Humor schadet in Corona-Zeiten sicherlich nicht. Marion Katuric, die Leiterin der Seewiesen-Gemeinschaftsschule in Esslingen, und ihr Stellvertreter Alexander Wroblewski demonstrieren, wie sie ihren Schülerinnen und Schülern, die am 4. Mai wieder zum Unterricht kommen, die Abstandsregel näher bringen wollen. Foto: Horst Rudel

Um die Abschlussprüfungen durchführen zu können, soll der Unterricht an den Schulen wieder hoch gefahren werden. Am 4. Mai geht es auch im Kreis Esslingen los: eine Herausforderung für Lehrkräfte, Eltern, Kommunen – und natürlich für die Schülerinnen und Schüler.

Kreis Esslingen - In einer Woche geht’s los. An den Schulen im Land und damit auch an denen im Kreis Esslingen beginnt der vom Kultusministerium so benannte „eingeschränkte Betrieb“. Zum einen bedeutet dies, dass entsprechende Klassen und Kursstufen zur Prüfungsvorbereitung den Unterricht vor Ort wieder aufnehmen. Zum anderen wird auch die in der Coronakrise bisher schon gängige Notbetreuung ausgeweitet.

Was lapidar klingt, stellt die Bildungseinrichtungen vor Herausforderungen. Um die geforderten Standards erfüllen zu können, braucht es Umstellungen, ein hohes Maß an Disziplin, Improvisationstalent und Kreativität. Sowohl die Schulen selbst wie auch die Kommunen als Träger müssen sich deshalb nach der Decke strecken. Unwägbarkeiten gibt es dennoch und so lässt sich eine daraus folgende Unsicherheit förmlich mit Händen greifen.

Vor dem Re-Start sind noch etliche Punkte zu klären

„Nach meiner Wahrnehmung laufen die Vorbereitungen allerdings gut“, sagt Corina Schimitzek, die Leiterin des Staatlichen Schulamts Nürtingen, das im Landkreis für alle Schulen mit Ausnahme der Gymnasien und der beruflichen Schulen zuständig ist. Es gebe aber noch Punkte, die geklärt werden müssten. „So wäre es ja kontraproduktiv, wenn zwar in den Schulen der Abstand gewahrt wird. Es in den Schulbussen aber eher kuschelig zugeht“, nennt sie nur ein Beispiel.

Aus Schimitzeks Sicht ist es deshalb wichtig, genaue Zahlen zu kennen, zu wissen, wer woher kommt, und die Unterrichtszeiten zu entzerren. „Alle zur gleichen Zeit, das funktioniert nicht“, stellt sie klar. Dabei gilt ihre Sorge weniger den Älteren, die vor den Prüfungen stehen. „Zu einem Zehntklässler muss ich keine körperliche Nähe aufbauen, im sonderpädagogischen Bereich schon.“

Oft zeigt erst der Versuch vor Ort, was geht und was nicht

Dass sich Vorbereitung in der verordneten Form umsetzen lässt, hält die Schulamtschefin dennoch für machbar. „Wir wissen, wie viele Leute unterrichtet werden müssen und haben es mit Jugendlichen zu tun, die wissen, was erlaubt ist.“ Sorge macht ihr eher die Ausweitung der Notbetreuung, in der Schimitzek mit doppelt bis dreimal so vielen Kindern rechnet als bisher. „Wenn sich da zwei Erstklässler nach Wochen erstmals wieder treffen, kann das mit der Distanz schwierig werden“, betont sie und ergänzt, dass man es künftig anders machen müsse als bisher.

Wie dieses „anders machen“ aussehen kann, zeigen Beispiele aus drei Schulen im Kreis. Abgeschlossen sind die Vorbereitungen noch nicht. Oft zeigt sich erst im praktischen Versuch an Ort und Stelle, dass sich gut gemeinte Planungen nicht realisieren lassen, dass Ideen an den herrschenden Gegebenheiten scheitern.

Seewiesenschule Esslingen In der Gemeinschaftsschule in Esslingen-Wäldenbronn werden zu den Prüfungsvorbereitungen von der nächsten Woche an knapp 100 Jungs und Mädchen erwartet. Angedacht war, diese – auf unterschiedliche Tage verteilt – in ihren angestammten Klassenzimmern unterzubringen. Doch dort wäre es, wie die Stellprobe gezeigt hat, dennoch zu eng. Also muss nochmals gesplittet werden. Hinzu kommt ein größer Bedarf an Notbetreuungsplätzen – und der Fernunterricht muss ebenfalls weitergehen.

Marion Katuric, die Leiterin der Seewiesenschule, und ihr Stellvertreter Alexander Wroblewski sind deshalb nicht nur am Tüfteln, wie Laufwege aufgezeichnet und Tische gestellt werden müssen. Auch das Personal müsste eigentlich geklont werden. „Mehr als ein Drittel des 47-köpfigen Kollegiums darf für den Unterricht vor Ort aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht eingeteilt werden“, sagt Katuric. Und weil nicht jeder jedes prüfungsrelevante Fach unterrichten könne, sei viel umzuorganisieren.

Unkonventionelles Denken ist zudem gefragt. So konnte die Stadt zwar mit Seifenspendern, Aufroll- und Einmalhandtüchern dienen und die tägliche Reinigung zusichern. Baulich änderte sich auf die Schnelle aber natürlich nichts. Auf warmes Wasser an den Waschbecken muss daher verzichtet werden. „Und es ist wohl sinnvoll, dass einzelne während der Stunden zur Toilette gehen, als in den Pausen alle auf einmal“, erklärt Wroblewski. Um die Schülerschaft auf die Neuerungen sowie auf die Ge- und Verbote vorzubereiten, wird neben den schriftlichen Regularien auch noch ein Video verschickt.

„Erfahrung mit den verschiedensten Online-Lern- und Kommunikationsformen konnten wir ja in den vergangenen Wochen schon sammeln“, betont Marion Katuric und zeigt sich zufrieden. „Unsere Seewiesen-App zu haben ist einfach toll“, fügt sie hinzu. Mit dieser könnten individuell Aufgaben verteilt werden, passend für jeden Anspruch und Wissenstand, ergänzt Alexander Wroblewski. „Und ein entsprechendes Feedback, fast wie im normalen Unterricht, ist ebenfalls möglich.“ Dass das Kollegium zusammenhalte und mitziehe, sei ebenfalls klasse, fährt er fort. „Darauf müssen und werden wir auch in den nächsten Wochen bauen können“, ist sich Marion Katuric sicher.

Riegelhof-Realschule Nellingen Vom heimischen Schreibtisch aus muss derweil Markus Fritz, Rektor der Riegelhof-Realschule in Ostfildern-Nellingen, die laufenden Prozesse mit steuern. Wegen einer Vorerkrankung darf er das Schulgebäude während der gewohnten Zeiten nicht betreten. So wurde ein Leitungsteam mit dem Sekretariat als Schaltzentrale installiert. „Das funktioniert gut, auch wenn ich natürlich lieber vor Ort wäre“, sagt er. Dort werden von der nächsten Woche an rund 270 Schülerinnen und Schüler auf ihre Abschlüsse vorbereitet.

Die Klassen werden dafür gesplittet, je nach Raumgröße in Zwölfer- oder auch in 18er-Gruppen. Um Kontakte zu verringern wurden Vorkehrungen getroffen. Ein Blockunterricht mit je sechs Stunden an zwei Tagen pro Woche und Klasse wird eingerichtet. Auch die jeweiligen Anfangs-, Pausen- und Endzeiten werden im Viertelstundentakt versetzt. „Es wäre ja widersinnig, alle gleichzeitig kommen und gehen zu lassen“, erklärt Fritz. Ansonsten müsse man mit der Situation so zurecht kommen, wie sie nun einmal sei, was auch für die Abstimmung mit den Partnern im Nellinger Schulzentrum gelte.

Waschbecken gibt es in den Klassenzimmern der Riegelhofschule, Warmwasser aber nicht. Die Stadt Ostfildern hat die erforderlichen Hygieneartikel besorgt. Zwei Lehrerinnen haben Alltagsmasken für das Kollegium genäht. Schülerinnen und Schüler, so sie denn welche tragen wollen, müssen sich ihre von Zuhause mitbringen. Die Verordnungen des Landes hält der Rektor für einen wichtigen Rahmen. „Für die Details braucht es Vernunft und Kreativität, um der Herausforderung gerecht zu werden“, ergänzt er.

Einen Normalbetrieb an den Schulen hält Fritz hingegen bis auf Weiteres für völlig unrealistisch: „Jugendliche gehen mit Regeln um oder sie umgehen Regeln. Unsere Aufgabe als Pädagogen ist es, Wissen und die Kompetenzen zu vermitteln Ein Überwachungssystem zu errichten, gehört nicht dazu, weshalb ich den Gedanken, die Schülerzahl bis Pfingsten nach und nach zu erhöhen, nicht teilen kann.“

Gymnasium Plochingen Dass bei der Rückkehr von knapp 200 Schülerinnen und Schülern alle Abläufe kontrolliert werden können, schließt auch Heiko Schweigert aus. Der Leiter des Plochinger Gymnasiums setzt „auf Appelle und auf Einsicht“. Man habe es in diesem Fall ja nicht mit Kindern, sondern mit jungen Erwachsenen zu tun. Es gebe Markierungen, unter anderem in den Klassenzimmern, die je nach Größe mit zwölf bis 18 Schülern belegt würden. „Die Lehrkräfte müssen dann entweder die Räume wechseln oder erhalten, so weit möglich, einen Kollegen zur Unterstützung“, sagt Schweigert, der in diesem speziellen Fall froh ist, „dass wir in unserem Gebäude mehrere Teiltrakte haben“.

Die hygienischen Anforderungen sollten sich im Plochinger Gymnasium ebenfalls erfüllen lassen. Waschbecken – mit Kaltwasseranschluss – sind in den Klassenzimmern ebenso da wie Einmalhandtücher, Seifen- und Desinfektionsmittelspender. Dafür hat die Stadt gesorgt. Auch der Reinigungsturnus, speziell von sensiblen Räumen und Flächen, wird erhöht. Gesichtsmasken für das Kollegium sind ebenfalls vorhanden.

Zumindest halbwegs faire Bedingungen für die Abi-Prüfung hält der Rektor auch sonst für gegeben: „Man muss nicht drum herum reden, das ist eine Ausnahmesituation. Aber mit dem Stoff waren wir schon vor der Schulschließung durch.“ Und die Wiederholungsphase habe dank digitaler Unterstützung auch gut absolviert werden können. Schweigert sieht das Problem eher auf der psychologischen Ebene. „Die Hängepartie, ob das Abi stattfindet oder nicht, und was danach kommt, sorgt bei vielen für den größeren Druck“, sagt er.

Was im öffentlichen Raum gilt, gilt auch in den Schulen

Acht Seiten lang sind allein die Hygienehinweise, die das Kultusministerium des Landes für die Wiederöffnung der Schulen auf seiner Homepage (km-bw.de) zusammengestellt hat. Neben den bekannten Abstandsvorschriften und Verhaltensregelungen, etwa zum Händewaschen sowie zur Husten- und Niesetikette finden sich dort auch Vorgaben zum Lüften und zur Reinigung der Räume sowie zum Infektionsschutz in den Pausen, zur Wegeführung und zur Unterrichtsorganisation.

Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, der sogenannten Gesichtsmaske, wird vom Kultusministerium in der Schule hingegen lediglich empfohlen, weil diese dem Schutz anderer vor dem Coronavirus diene. Im Unterricht sei das Tragen einer solchen Gesichtsmaske, sofern der Sicherheitsabstand gewährleistet ist, nicht erforderlich, gleichwohl aber zulässig, lässt die Behörde wissen. Gegen die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung spreche also nichts.