In diesem Jahr eine Rarität im Kreis: Der von den Landfrauen mit Moos und Kunsteiern dezent geschmückte Brunnentrog bei Neidlingens Alter Schule. Foto: Ines Rudel

Das Coronavirus hat auch dort seine Spuren hinterlassen, wo man es zunächst vielleicht gar nicht vermuten würde. Ein Rundruf zeigt, dass vor dem Hintergrund der Kontaktsperre in diesem Jahr auch das beliebte Brauchtum leidet.

Kreis Esslingen - Frisches Grün, das Lebenselixier Wasser und dazuhin bunte Eier als Fruchtbarkeitssymbole bestimmen gemeinhin das frühlingshafte Erscheinungsbild von geschmückten Osterbrunnen – und verhelfen auf diesem Wege der Lebensfreude des wintermüden Betrachters zu euphorischen Sprüngen. So war zumindest bisher der Normalzustand auch im Kreis Esslingen. Aber was ist schon normal zu Corona-Krisenzeiten?

Bestenfalls für Momente lassen sich die misslichen Hiobsbotschaften und das mediale Trommelfeuer zur viralen Misere verscheuchen. Und wer sich in der Karwoche auf die Suche nach den sprudelnden Osterboten macht, wird – bis auf wenige Ausnahmen – vom Pech verfolgt und vom Virus-Thema eingeholt oder gar überholt: Als möglicher Quell von Gefahren für die Schmuckschaffenden ist der Osterbrunnenschmuck anno 2020 schon vor den Festtagen so gut wie passé.

Schmuckkampagne kurzerhand abgeblasen

Überwiegend waren es reisefreudige Landfrauen, die in den 1990er Jahren insbesondere bei ihren Ausflügen und Abstechern in katholische Gefilde die Anregungen zur Brunnenverschönerung mitbrachten. Die Ergebnisse reichten von opulenten Kreationen, die beispielsweise alle zwei Jahre in Beuren von rund 30 Helferinnen und Helfern geschaffen wurden, bis zu mehreren kleinen Brunnen etwa in Neidlingen, die mit eher bescheidenen und mit natürlichen Schmuckaccessoires zur Geltung kamen.

In der Badgemeinde Beuren, so berichtet Jutta Hartmann vom Landfrauenvorstand, hätten jedes Mal allein für den Dorfbrunnen beim Rathaus Eier in mehreren Hundertschaften ausgeblasen und in den Ortsfarben angemalt werden müssen. Zu Zeiten von Corona habe man dies den Mitgliedern, von denen viele ja auch nicht mehr zu den Jüngsten zählten, nicht zumuten wollen – und die Schmuckkampagne kurzerhand abgeblasen. Ähnliche Gedanken spielten auch bei der Absage des Brunnenschmückens in Weilheim durch die Landfrauen eine Rolle. Seit 18 Osterfesten, sagt die langjährige Vorsitzende Lilo Drexler, habe der Verein dem Marktbrunnen dazu verholfen, sich in Schale zu werfen. Dieses Jahr nicht.

Konfirmandeneltern verschenken Moosgirlande

Für die Kolleginnen aus Neidlingen hat das Virus umgekehrt dafür gesorgt, dass man doch noch zu einem Osterbrünnele gekommen ist: Weil die Konfirmationsfeier coronabedingt abgesagt worden ist, haben die Konfirmandeneltern den Landfrauen eine als Zierde des Kirchenportals vorgesehene Moosgirlande geschenkt, die jetzt den Brunnentrog bei der Alten Schule schmückt und die zu etlichen weißen Kunststoffeiern kontrastiert.

In Lenningen hat der Obst- und Gartenbauverein vor fünf Jahren das Osterbrunnen-Zepter von den Landfrauen übernommen. Eigentlich, sagt der Ehrenvorsitzende Manfred Schweizer, sei für die Brunnenaktion beim Oberlenninger Rathaus alles vorbereitet gewesen, wegen der traditionell geselligen Übergabefeier aber habe die Gemeinde davon abgeraten. Daran habe man sich gehalten.

Verdachts- und Quarantänefälle bremsen Verein aus

Auch die Kirchheimer müssen in diesem Jahr auf den Anblick des Marktbrunnens im Osterschmuck verzichten. Nachdem der verantwortliche Mährisch-Schlesische-Sudeten-Gebirgsverein laut dem Bürgermeister Günter Riemer die Stadt über Quarantäne und Corona-Verdachtsfälle in den eigenen Reihen informiert hatte, sei man übereingekommen, die Tradition zu unterbrechen.

Schließlich hat das Virus auch dem Heimatverein Esslingen-Berkheim, der seit den Tagen von Rita Frey den Brauch des Brunnenschmucks hochhält, einen gehörigen Dämpfer verpasst. Alles sei schon in die Wege geleitet worden, als das Kontaktverbot in Kraft trat, sagt der Vorsitzende Walter Lazarek. Da dem Heimatverein naturgemäß auch ältere Mitglieder angehörten, habe man ein Risiko nicht eingehen wollen und die Aktion abgesagt.

Frisches Grün und bunte Eier am Bad Boller Brunnen

Auch im benachbarten Landkreis Göppingen leidet die Osterbunnen-Tradition in diesem Jahr erheblich. Ob in Bad Überkingen, in Birenbach oder im Göppinger Stadtbezirk Faurndau – Spaziergänger werden vergeblich nach den geschmückten Wasserstellen Ausschau halten. In Corona-Zeiten haben die zumeist ehrenamtlichen und häufig auch älteren Helferinnen und Helfer davon Abstand genommen, die Brunnen zu verzieren.

Auch dem Osterbrunnen in Bad Boll, nicht weit von der Esslinger Kreisgrenze entfernt, hatte dieses Schicksal gedroht. Die Landfrauen wollten sich ebenfalls in Verzicht üben. Dann aber sprang die Floristin Tanja Blessing in die Bresche. Sie sicherte sich mit Petra Müller und Anja Liebler zwei jüngere Landfrauen als Mitstreiterinnen, so dass Bad Boll – dem Virus zum Trotz – doch noch seinen grün-bunten Osterbrunnen bekommen hat.