Danyal Bayaz (Grüne) gab grünes Licht für das Riesenrad, das sich erstmals im Ehrenhof des Neuen Schlosses dreht. Foto: Lichtgut/ Piechowski

Er hat das Riesenrad vorm Neuen Schloss möglich gemacht. Die ganze Stadt ist verrückt danach. Mit Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) fuhren wir drei Runden. Ein Gespräch zwischen Ehrenhof und Himmel über Gelddruck-Maschinen, Rummel im Alltag und seine Stuttgart-Liebe.

Stuttgart - Was für die einen Nostalgie und Romantik bedeutet, kostet andere mit Höhenangst Überwindung. Unermüdlich trägt das zur Expo 2000 in Hannover erbaute Sky Lounge Wheel begeisterte Menschen sanft in den Himmel. Hier zeigt sich das Leben: Jedes Auf hat ein Ab. Höhenträume enden zwar immer auf dem Boden, aber man zehrt von ihnen. Seit einer Woche ist der faszinierend leuchtende Hightech-Gigant, 58 Meter hoch vor dem Neuen Schloss, ein Besuchsmagnet – auf dem wohl schönsten Platz der Stadt.

Als Teenie saß er zuletzt in einem Riesenrad

Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) war „13 oder 14“, als er zuletzt Riesenrad gefahren ist. Jetzt sitzt er für ein Small-Talk-Interview über drei Runden und in zwölf Minuten mit einem fantastischen Blick aus der Drohnenperspektive in einer der 40 Gondeln und genießt. „Darf ich?“, fragt er und zückt sein Handy. Natürlich darf er! Der Minister, Hausherr des Riesenradgeländes, macht Selfies und schwärmt. „Stuttgart ist wunderschön“, sagt er, zeigt mit den Fingern, wo es ihm besonders gut gefällt, „alles ist fußläufig“. Er liebt das viele Grün, auf die Baukräne zeigt er nicht. „Die sind irgendwann weg“, antwortet er auf den Einwand. Und Bayaz, ein Kumpeltyp im Riesenrad, zeigt auf das Haus hinterm Charlottenplatz, wo er mit schönem Blick auf den Kessel im achten Stock wohnt, wenn er nicht bei Baby und Partnerin Katharina Schulze, der Grünen-Fraktionschefin im Bayerischen Landtag, in München weilt.

Oft dreht sich Politik im Kreis. Der 37-jährige Shooting-Star im Kabinett von Winfried Kretschmann beweist, wie Politik aus der Routine ausbricht. Der Ehrenhof gilt als Heiligtum. 40 Jahre lang versuchten Schausteller, hier ein Riesenrad aufzubauen – bisher vergeblich. Als OB Frank Nopper (CDU) mit der Idee auf ihn zukam, an diesem exponierten Ort etwas Gutes für Schausteller zu tun, sagte Bayaz sofort zu und überlässt das Gelände bis Ende 2020 kostenlos fürs Riesenrad (einzige Bedingungen: keine Musik darf gespielt werden und die Zugänge müssen behindertengerecht sein). „Es heißt, Beamte seien träge, was nicht stimmt“, sagt er. Ihm sei es wichtig, „unbürokratisch und pragmatisch“ zu handeln.

Zehn Schausteller hatten sich um das Riesenrad beworben

Oft sind die Schlangen am Eingang lang. Das Riesenrad, hört man nun, sei eine Gelddruckmaschine. Ärgert sich der Finanzminister, da er den Riesenerfolg direkt vor seinem Arbeitsplatz sieht, dass er nicht mitkassiert und den Ehrenhof mietfrei überlässt?

„Ein Finanzminister muss immer schauen, wie er an Geld kommt“, antwortet der Sohn einer Deutschen und eines türkischen Radioreporters, „aber es geht um mehr als ums Riesenrad.“ Unter Corona hätte der Einzelhandel sehr gelitten. „Jetzt geht es darum, die Innenstädte wieder zu beleben“, sagt er und blickt bei unserer Abendfahrt verzückt auf die erleuchtete Königstraße.

Zehn Schausteller hatten sich um das Riesenrad für den Schlossplatz beworben, auch einer aus Stuttgart. Marcus Christen von in.Stuttgart sagt, bei einer Ausschreibung dürfe man niemanden bevorzugen, auch nicht, wenn er aus Stuttgart kommt. Mithilfe eines Anwalts habe man sich abgesichert, um eine gerechte Wahl, nämlich die beste, zu treffen. Der Düsseldorfer Oscar Bruch, ein Wasen-Stammgast, hat das Rennen gemacht. Wie viele Menschen bisher in Stuttgart bei ihm gefahren sind, verrät er nicht. „Natürlich zählen wir alle“, sagt er, „aber diese Zahlen veröffentlichen wir nicht, sondern sagen sie nur direkt dem Finanzminister über unsere Steuererklärung.“

„In London zahlt man für Riesenrad 36 Euro“

Bruch verweist auf die Verluste in der Pandemie. In Oberhausen sei das Sky Lounge Wheel sieben Monate lang kostenfressend mit Drehverbot gestanden. Weil es im Ehrenhof so gut läuft, will er an soziale Einrichtungen in Stuttgart spenden. Sein Betriebsleiter Herbert Nahrings lobt Stuttgarts internationales Flair. An der Kasse müsse er eigentlich „15 Sprachen“ beherrschen. Am Klischee von der schwäbischen Sparsamkeit sei was dran. Acht Euro seien manchen zu viel. „In London zahlt man fürs Riesenrad 36 Euro.“

Seit Tagen ist Kretschmann, der Chef von Bayaz, für die Grünen zum Sondieren in Berlin, der Finanzminister freut sich derweil über die zufriedenen Gesichter der Riesenradbesucher vor seinem Amtssitz, der sich im Neuen Schloss befindet. Von der Gondel aus kann man nicht auf seinen Schreibtisch schauen, der sich auf der Schlossseite zum Eckensee hin befindet. Aber man sieht auf die Büros des Wirtschaftsministeriums. Dort soll man nicht sehr begeistert darüber sein.

Der Minister ist ein Stuttgart-Fan

Mit Schlössern kennt sich der Enkel des früheren türkischen Botschafters in Deutschland aus: Im Schloss Hohenheim studierte er Kommunikationswissenschaften, promovierte über „Heuschrecken“, „Rendite“ und „Regulierung“. Die Idee vom Bürgerschloss, zu dem das Neue Schloss werden sollte, begrüßt er. Das Privileg der Ministeriumsmitarbeiter, im Ehrenhof zu parken, hat er „sehr eingeschränkt“. Die Kabinettssitzungen finden in der Pandemie im Neuen Schloss statt, weil in der Villa Reitzenstein genügend Plätze mit Abstand fehlen. Die zwölf Minuten sind rasch rum. Danyal Bayaz schwärmt nach dieser Fahrt noch mehr von Stuttgart: „Eine tolle Stadt!“ Der Grüne will wohl länger bleiben.

Manche meinen bereits, Kretschmann wünsche ihn als seinen Nachfolger. Wer weiß? In der Politik ist es oft wie im Riesenrad! Kaum ist man oben, geht’s runter.