Die Polizei ermittelt gegen einen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen (Symbolbild). Foto: dpa

Der mutmaßlich fremdenfeindliche Angriff auf Besucher einer Eisdiele war den Ermittlern zufolge von Nazi-Gebaren begleitet. Das macht den Verdacht gegen einen Polizei-Angestellten noch brisanter.

Wiesloch/Heidelberg - Bei dem mutmaßlich fremdenfeindlichen Angriff auf türkischstämmige Gäste eines Eiscafés in Wiesloch sollen laut Staatsanwaltschaft der Hitler-Gruß gezeigt und „Heil Hitler“ gerufen worden sein. Dies teilte die Behörde am Mittwoch auf Anfrage mit. Die Polizei ermittelt wegen Verdachts auf Volksverhetzung, Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen sechs Männer aus dem Rhein-Neckar-Kreis und dem Kreis Karlsruhe. Darunter ist auch ein Tarifangestellter der Polizei. Drei der Verdächtigen rechnet die Polizei der rechten Szene zu. Dazu gehöre aber nicht der Polizei-Mitarbeiter, sagte ein Polizeisprecher.

Mitarbeiter der Polizei wurde freigestellt

Bei dem Vorfall am 8. September erlitten fünf Gäste des Eissalons nach Angaben der Polizei Prellungen und oberflächliche Hautabschürfungen. Die verdächtigen Männer sollen laut Polizei im Rahmen eines Junggesellenabschieds zunächst fremdenfeindliche Parolen skandiert und politisch motivierte Schmähgesänge von sich gegeben haben. Danach hätten sie vor dem Eiscafé sitzende Familien teils mit Mobiliar angegriffen.

Eine 20-köpfige Ermittlungsgruppe der Polizei untersucht den Fall. Es seien bereits 50 Vernehmungen vorgenommen worden, erläuterte der Polizeisprecher. Es würden auch Videoaufnahmen ausgewertet. Bei Durchsuchungen der Wohnungen der Verdächtigen seien Beweismittel sichergestellt worden.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Hans-Jürgen Kirstein, sagte mit Blick auf Ermittlungen wegen des Verdachts, dass der Hitler-Gruß gezeigt wurde: „Das ist unerträglich.“ Wenn sich der Verdacht gegen den Tarifangestellten erhärte, müsse dieser entlassen werden. Sonst werde die Institution Polizei unglaubwürdig. In den Zeitungen „Heilbronner Stimme“ und „Mannheimer Morgen“ (Donnerstag) forderte er ein konsequentes Vorgehen gegen rechte Tendenzen in der Polizei. Auch die Türkische Gemeinde verurteilte den Vorfall. „So etwas darf nicht passieren“, sagte Sprecher Werner Schulz. Er warnte aber auch vor vorschnellen Verurteilungen.

Polizei-Mitarbeiter droht die Entlassung

Der 30 Jahre alte Tarifbeschäftigte der Polizei wurde nach Angaben des Innenministeriums freigestellt und von allen Aufgaben entbunden. Ihm kann die Entlassung drohen, falls sich der Verdacht erhärtet. Wo genau er bislang tätig war, gab das Ministerium aus Datenschutzgründen nicht bekannt. Die Entscheidung über seine berufliche Zukunft macht das Ressort vom Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen abhängig. „Die Staatsanwaltschaft hat wesentlich größere Aufklärungsmöglichkeiten als wir“, sagte ein Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Gegen zwei mutmaßliche Rädelsführer der Attacke - 23 und 36 Jahre alt - beantragte die Staatsanwaltschaft Haftbefehle. Sie wurden erlassen, jedoch gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Der FDP-Innenexperte und ehemalige Justizminister Ulrich Goll sagte: „Gefragt sind in erster Linie die Ermittlungsbehörden.“ Es sei richtig, den tatverdächtigen Angestellten der Polizei aus dem Dienst zu nehmen, bis der Sachverhalt aufgeklärt sei.

Die Beratungsstelle Leuchtlinie für Opfer von potenziell rechts, rassistisch oder antisemitisch motivierten Gewalt- und Straftaten registriert wachsende Fallzahlen im Südwesten. Die Zahl der Beratungen stieg nach Angaben der Einrichtung von 141 im Jahr 2016 auf 173 im vergangenen Jahr. Die Organisation rechnet damit, im Gesamtjahr 2018 dieses Niveau zu erreichen oder zu überschreiten. Stand 19. September 2018 lag die Zahl der Beratungen bei 151.