Feierliche Übergabe: Filmproduzent Artur Brauner (97) hat dem Jüdischen Museum Berlin 21 Filme zu den Themen Holocaust und Nationalsozialismus gespendet. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Foto:  

Der Filmproduzent und Holocaust-Überlebende Artur „Atze“ Brauner (97) hat dem Jüdischen Museum Berlin 21 Filme zu Holocaust und Nationalsozialismus geschenkt. Werke wie „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ (1982) und „Hitlerjunge Salomon“ (1990) sind nun öffentlich zugänglich.

Berlin - Still, sehr still ist es, als am Montagnachmittag im Mediensaal der Michael-Blumenthal-Akademie des Jüdischen Museums Berlin der Abspann des Spielfilmes „Hitlerjunge Salomon“ läuft. Über 100 Zuschauer, vor allem Berliner Schüler, haben auf der Leinwand vom Schicksal Salomon Perels erfahren, eines deutschen jüdischen Jungen aus Peine, den in der Nazizeit nur eine angenommene falsche Identität vor dem Tod rettete.

Regie in der deutsch-polnisch-französischen Produktion aus dem Jahr 1990 führte Agnieszka Holland. Produzent war Artur Brauner. Und der kommt jetzt in den Mediensaal – als 1918 geborener Zeitzeuge möchte er mit den Schülern reden. Auf dem Podium sitzend, leuchten über dem Bijou-Bärtchen sehr wache, dunkle Augen. Auch wenn das Thema ernst ist, schaut er immer wieder leicht verschmitzt. In der ersten Reihe sitzt die Familie, dabei ist Alica Brauner, seine älteste Tochter, Journalistin und ebenfalls Filmproduzentin wie der Vater.

Brauner, gebürtiger Pole mit deutschem Pass, spricht mit kaum erkennbarem Akzent. Ob die Geschichte des Salomon Perel – Sally genannt – denn auch authentisch sei, möchte ein Schüler wissen. Brauner sagt: „Bei aller Dramaturgie ist die Substanz geblieben.“ Warum er den Film produzieren wollte, folgt eine nächste Frage. „Zwei wache Augen im Gesicht dieses zwölfjährigen Jungen haben alles bewirkt.“ Erst 40 Jahre nach der Befreiung war es Sally Perel möglich, seine Biografie zu notieren. Auf dem Titelblatt des Buches – sein jugendliches Konterfei.

Dass Deutschland „Hitlerjunge Salomon“ nicht für den Oscar vorschlug, kränkt Artur Brauner bis heute

Zwar wurde der Streifen in den USA mit den Golden Globe als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet und der Produzent 2003 bei den Filmfestspielen Berlin mit der Berliner Kamera für sein Lebenswerk geehrt – dass das deutsche Oscar-Komitee „Hitlerjunge Salomon“ nicht für den Auslands-Oscar vorschlug, war ein Skandal und kränkt Artur Brauner bis heute. Den Grund findet er in der Entwicklung der Filmgeschichte im Nachkriegsdeutschland, in der jüdische Themen zunächst keinen Platz hatten. Die US-Oscar-Jury reagierte und nominierte den Film in der Kategorie „bestes adaptiertes Drehbuch“.

Artur Brauner war einer der erfolgreichsten Filmproduzenten der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Sein Film „Morituri“ gilt neben Herbert B. Fredersdorfs Film „Lang ist der Weg“ (beide 1948) als erster deutscher Spielfilm über die NS-Zeit. Um ihn produzieren zu können, brauchte Brauner für seine 1946 gegründete Central Cinema Compagnie (CCC-Film) eine Lizenz der Alliierten. Die aber wurde ihm verweigert. Also drehte er zur Finanzierung des Streifens die belanglose Komödie „Herzkönig“.

In „Morituri“ (lateinisch: Die Todgeweihten) rettet ein polnischer Lagerarzt jüdische Häftlinge vor dem Tod. Sie flüchten in die Wälder Polens, treffen auf deutsche Soldaten und werden abermals gerettet. Mit „Morituri“ verarbeitete der am 1. August 1918 in Lodz geborene Artur Brauner, der den Holocaust überlebte, aber 49 Familienmitglieder verlor, auch eigene Erlebnisse.

Brauner übt Kritik an Finanzierungsmodellen und Preisen

Doch der deutschsprachige Film war ein Flop – das Publikum in der Nachkriegszeit wollte sich amüsieren, die NS-Zeit verdrängen. „Die Besucher waren so erbost, dass sie Kinos demolierten, der Film wurde aus dem Programm genommen“, erinnert am Montag Artur Brauner an seinen Produzentenstart. Heute gilt „Morituri“ als Klassiker.

Brauner hat insgesamt 500 Filme produziert. Sujets zum Thema Holocaust brachten ihm nichts ein. Er gesteht: „Mit denen habe ich Verluste gemacht, aber das ist sekundär gewesen – es ging darum, die Opfer nicht zu vergessen.“ Finanziert wurde CCC-Film über Streifen „aus der heilen Welt und dem Abenteuergenre“ und Brauners Immobiliengeschäfte.

Den Tag in der Akademie des Jüdischen Museums Berlin nutzt er, um Kritik an Finanzierungsmodellen und Preisen zu üben. „Die Förderungsanstalten schauen schon seit langem, dass sie Filme fördern, die genügend Besucher bringen, und nicht solche, die wirklich wichtig sind“, sagt er. Er selbst gründete 1991 die Artur-Brauner-Stiftung. Ihr Zweck ist die Förderung der Verständigung zwischen Juden und Christen sowie der Toleranz zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturkreise.

„Ein Geschenk an mich selbst“

Filmproduzenten, die sich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus befassen, können sich für den Artur-Brauner-Filmpreis bewerben. Er ist mit 25 000 Euro dotiert. 21 Filme aus Artur Brauners Produktion werden in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel ständig gezeigt – für Brauner „die Krönung meines Filmschaffens“. Dazu gehören Titel wie „Die weiße Rose“, „Der 20. Juli“ und „Mensch und Bestie“.

Dem Jüdischen Museum Berlin wird Artur Brauner weitere Filme stiften, „Der Zug“, „183 Tage – Der Auschwitz-Prozess “ und „Wir Wunderkinder“. Dass das Museum die Filmsammlung zum Anlass nehmen wird, vor allem mit jungen Menschen über die deutsche Vergangenheit ins Gespräch zu kommen, ist für Artur Brauner „ein Geschenk an mich selbst, weil dann alles, was geschah, wenigstens einen Sinn gehabt hätte“. Und es hätte bewirkt, dass er „mitgewirkt habe“. Alle Menschen, so das Statement des 97-Jährigen, seien in einer humanen Welt gleich.

Nach dem Gespräch mit den Schülern genießt Brauner sichtlich das Blitzlichtgewitter, als er sein Filmwerk an Cilly Kugelmann übergibt, die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin. Jedes Foto dient dem Ziel, das er mit seiner Geste verfolgt: Die Opfer des Holocaust sollen nie in Vergessenheit geraten.