David Gerstmeier vom Verein pro Biene in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky, dpa

Ein weltweites Bienensterben hätte verheerende Folgen. Immer mehr umweltbewusste Städter wollen deshalb selbst etwas gegen das Bienensterben unternehmen. Viele glauben fälschlicherweise aber allein Bienen zu halten, helfe Bienen zu schützen. Doch wie hilft man den Bienen wirklich?

Stuttgart - China im Jahr 2098. Unzählige tausende Arbeiter werden vom chinesischen Nationalkomitee zur Zwangsarbeit verpflichtet. Zöwlf Stunden am Tag verbringen sie teilweise in unbequemen Positionen auf Obstplantagen. Ihre Arbeit dort? Mühevoll bestäuben sie alle Blüten von Hand. Sie übernehmen den Job, den Bienen einst von Natur aus gemacht haben. Doch Bienen gibt es im China kurz vor der dritten Jahrtausendwende schon lange nicht mehr. Die Norweger Schriftstellerin Maja Lunde zeichnet in ihrem Roman „Die Geschichte der Bienen“ ein düsteres Zukunftsbild. Die Auswirkungen des globalen Bienensterbens sind in ihrer fiktiven Geschichte drastisch: Europa und USA sind längst keine führenden Weltmächte mehr, sie sind verarmt, nur noch wenige Menschen überlebten dort. Und die haben kaum etwas zu essen. Nur in China hat man irgendwann auf die Technik der Bestäubung durch Menschen gesetzt und kann so überleben.

Alles Wissenswerte über das Insektensterben lesen Sie hier in unserem Multimedia-Projekt

Die Biene liegt auf der Intensivstation

Alles nur eine fiktiv? Eher nicht. Viele Forscher prognostizieren schon lange ein Ende der Bienen, wenn nicht bald massiv gegen das Bienensterben vorgegangen wird – zehn, vielleicht zwanzig Jahre geben einige dem für unser Ökosystem so wichtigen Insekt maximal noch. Aber, allein in Deutschland gelten 55 Prozent der fast 600 Wildbienenarten inzwischen als gefährdet.

Wie wichtig die Bienen sind, demonstrierte kürzlich ein Supermarkt in Hannover. Er räumte für einen Tag alle Produkte aus den Regalen, die es ohne die fleißigen Insekten nicht gäbe. Das Ergebnis: Rund 60 Prozent der 2500 Artikel mussten nach Angaben des Unternehmens weichen.

Der Stuttgarter Imkermeister David Gerstmeier spricht nicht vom Bienensterben. Aber: „Die Biene liegt bereits auf der Intensivstation. Wenn man sich nicht um sie kümmert, wird sie verschwinden.“ Gerstmeier ist Mitgründer undGesellschafter von Pro Biene, einem freien Institut für ökologische Bienenhaltung mit Sitz an der Kulturinsel in Bad Cannstatt, das sich für die Arterhaltung sowie ökologisch nachhaltiges Imkern einsetzt. Ein weltweites Bienensterben hätte gravierende Folgen für uns alle. Bienen bestäuben nahezu sämtliche Nutzpflanzen und sichern so den Bestand unserer Nahrung. Doch in freier Natur können die überaus fleißigen und beliebten Insekten heute schon kaum mehr alleine überleben.

Ein weltweites Bienensterben hätte gravierende Folgen für die Bevölkerung

Viele Menschen, gerade in Städten, wollen den Bienen helfen, imkern ist deshalb schon lange ein Trend geworden. Doch Bienen halten heißt nicht in allen Fällen, dass Bienen auch geschützt werden oder dass man damit etwas zum Naturschutz beiträgt. Leider. Viele Insektenforscher und Naturschützer sehen die Stadtimkerei generell kritisch, weil die Honigbienen eine Konkurrenz für die Wildbienen sind. Ursachen für das Insektensterben sind der Nahrungsmangel in der heutigen ausgeräumten „Kulturlandschaft“, die Gifte aus der Landwirtschaft sowie anderen Umweltfaktoren - und eben die gezüchtete, westliche Honigbiene. Aufgrund des gravierenden Nahrungsmangels ist die Honigbiene für heimische wildlebende Bestäuber zum großen Problem geworden, sagt der Entomologe Andreas Haselböck, der im Internet eine Art Naturlexikon betreibt.

Außerdem haben viele Hobbyimker auch zu wenig Wissen, um die Bienen artgerecht zu halten. „Bei uns kommen Leute in die Kurse, die wissen gar nicht, dass man die Bienen sich überhaupt natürlich vermehren lassen kann“, beklagt Gerstmeier.

Er setzt bewusst auf eine „natürliche“ Bienenhaltung, so seine Definition. Seine Bienen vermehren sich nicht nur alleine, sie bauen auch ihre Waben selbst. Viele läsen zwar viel, schauten sich zig Youtube-Videos an, aber näherten sich dem Thema eben nur theoretisch an. „Der Beziehungsaufbau zwischen Mensch und Biene ist ein Thema, bei dem es eben doch oft noch scheitert.“

In seinen Kursen lernen die Teilnehmer deshalb, wie eine richtige Wabe aussieht, sie imkern ohne Schleier und üben den Beziehungsaufbau.

Der Hype um die Biene lässt das Bewusstsein für ihren Lebensraum wachsen

Der Bienen-Hype hat aber laut Gerstmeier auch einen Vorteil: „Das Bewusstsein für die Bienen wächst.“ Darin sieht Gerstmeier eine große Chance für die Insekten. Auch würden sich immer mehr damit auseinander setzen, was es eben bedeutet Bienen zu halten und das dies eine große Aufgabe ist. „Obwohl man eben nicht gleich alle Honigtöpfe voll hat.“ Der „gesellschaftliche Wert“ ist aus seiner Sicht nicht zu unterschätzen. Oft sei die Hobby-Imkerei aber eben „industrialisiert“. Bei nur etwa zwei Prozent der Laien-Imker dürften die Bienen ihre Waben selbst bauen und werden künstlich vermehrt. „Viele wissen es einfach nicht besser.“ Das ärgert Gerstmeier. Deshalb empfiehlt er jedem Starter ein Seminar über ökologische Bienenhaltung.

Wer nicht gleich selbst imkern möchte, kann aber auch so den Bienen helfen. „Jede Blüte im Garten hilft im Prinzip“, sagt Gerstmeier. Auch ein Umstieg auf reine Bioprodukte hilft. Die biologische Landwirtschaft sei „bienenfreundlicher“, sie habe weniger Monokulturen und eine andere Blütenvielfalt als die konventionelle Landwirtschaft. Gerade die Monokulturen sind es auch, die den Lebensraum der Bienen zerstören. „Inzwischen fühlen sich deshalb Bienen in der Stadt schon wohler“, sagt Gerstmeier.

Langfristig müsse der Mensch erstens wieder weg von der konventionellen Imkerei, die nur auf massenhafte Honigproduktion abzielt und zweitens generell auf eine ökologische Landwirtschaft umsteigen. „Die Biene ist eines unserer wichtigsten Nutztiere“, betont Gerstmeier, „unsere ganze Ernährung hängt davon ab, dass die Biene auf dem Land lebt.“

Fakt ist: Das Bienensterben ist menschengemacht. Nur die Menschen können das auch auch verhindern. Der BUND und der NABU fordern deshalb schon lange die Bundesregierung auf, einen nationalen Bienenaktionsplan zu verabschieden. Passiert ist bisher nichts.

Garten Blumen wie Sonnenblumen, Säckelblumen, Lavendel sind bienenfreundliche Blühpflanzen. Dort finden Bienen Nektar und Pollen. Pflanzen sollten zudem nicht mit giftigen Pestiziden bearbeitet werden. Auch Kräuter auf dem Fensterbrett wie Minze, Schnittlauch, Salbei und Petersilie, Oregano mögen Bienen. Die Bienen helfen uns im Gegenzug, dass die Pflanzen am Leben bleiben. Wer mag, könne auch ein Wildbienenhotel aufstellen, empfiehlt Peta.

Auch wenig Honig essen, auf Bioprodukte aus ökologischer Landwirtschaft umsteigen, hilft den Bienen, ebenso wie selbst pflanzliche Biokost, Obst und Gemüse, anzubauen. Gerade Monokulturen und Pestizide sind Gründe für das Artensterben.