So wie hier auf dem Killesberg sieht es aus, wenn große Zahlen an Eidechsen umgesiedelt werden müssen. Weitere solcher Flächen gibt es in Stuttgart nicht – und alles andere ist verboten. Foto: Lichtgut-Oliver Willikonsky

Artenschutz ist nicht dasselbe wie Tierschutz. Das zeigt sich derzeit deutlich bei Stuttgart 21. Dort werden 6000 Eidechsen sterben, weil die Behörden auf Prinzipien beharren.

Stuttgart - Beim Artenschutz geht es darum, Tieren zu helfen. Sollte man zumindest meinen. Doch die Wirklichkeit sieht manchmal anders aus. Die Frage nach der Zukunft von 6000 Mauereidechsen auf dem Gelände des künftigen Abstellbahnhofs für Stuttgart 21 entwickelt sich zur Reptilien-Posse, bei der es am Ende nur Verlierer geben wird: tote Tiere, eine hilflose Bahn AG, blamierte Behörden und gehörnte Bürger, die helfen wollten.

Die Tiere sind zwar streng geschützt, aber auch genetisch einzigartig. Das macht sie nicht etwa besonders wertvoll, sondern ziemlich lästig. Sie dürfen nämlich nur innerhalb Stuttgarts umgesiedelt werden, und auch dort nur in einem Teil der Stadt, den die Naturschutzbehörden festgelegt haben. Die Auflagen dabei sind nahezu unerfüllbar. Über 200 Flächen wurden vergeblich geprüft. Der vernunftbegabte Normalbürger denkt sich: Muss man halt ein bisschen runterkommen von den strengen Vorgaben, wenn man die Tiere retten will. Das aber geschieht nicht. Denn Artenschutz ist nicht Tierschutz. 6000 Eidechsen können per Ausnahmegenehmigung sterben, wenn dadurch nicht der Bestand der gesamten Art gefährdet wird. Und genau das wird passieren.

Der Eiertanz, den Regierungspräsidium und Stadt angesichts dieser unbequemen Wahrheit aufführen, ist unbeschreiblich. Die Gefahr weiterer Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen beim Bahnprojekt wächst. Und den Beobachter beschleicht das Gefühl: Vielleicht sollen die ungeliebten Eidechsen, die anderswo nicht erwünscht wären, ja gar nicht überleben. Doch das traut sich niemand zu sagen. Weil es Klagen geben könnte. Und weil Artenschutz bedeutet, Tieren zu helfen.

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