Das U-Boot ARA San Juan vor der Küste Argentiniens Foto: dpa/Argentinische Marine

Argentinien sucht noch immer nach verschollenen Seeleuten – Opposition wirft der Regierung vor, ein „Stück Müll“ zum Einsatz geschickt zu haben

Buenos Aires - Mit jedem Tag, an dem keine neuen Signale vom seit über einer Woche vermissten argentinischen U-Boot ARA San Juan gefunden werden, sinkt die Chance, dass die 44 Besatzungsmitglieder noch lebend geborgen werden können. Dafür hat die politische Abrechnung rund um das weltweit beachtete Drama bereits begonnen. Die Regierung von Präsident Mauricio Macri fürchtet, dass die bislang glücklose Rettungsaktion auf sie selbst zurückfällt. Das regierungsnahe Blatt „Clarin“ spekuliert bereits darüber, dass Macri einen kompletten Austausch der Marinespitze erwägt. Im Casa Rosasda, dem argentinischen Präsidentenpalast in Buenos Aires, sei das Kabinett Macri alles andere als überzeugt vom Auftreten der Admiralität.

Interne Untersuchungen wurden eingeleitet, geklärt werden soll, wer was wann wusste und warum es während der Rettungsaktion widersprüchliche Angaben zum Stand der Ermittlungen gab. Im Zentrum der Kritik: Admiral Marcelo Eduardo Hipolito Srur. Verteidigungsminister Oscar Aguad wirft Srur vor, er habe erst aus den Medien davon erfahren, dass die Marine den Kontakt zum U-Boot verloren habe. Besonders kritisch sehen Regierungskreise, dass ungeprüfte Informationen an die Familienangehörigen dringen, die an der Marinebasis in Mar del Plate auf Neuigkeiten warteten. Die Gerüchte sorgen mal für Hoffnung, mal für Entsetzen.

Die Angehörigen hoffen immer noch

Vor allem die verschiedenen Versionen über die Gründe des Unglücks sorgten für Verwirrung. Mal waren es Batterieprobleme, dann war es eine Explosion. Das erschütterte vollends das Vertrauen in die Marine. Macri selbst versucht sich als Macher ins Szene zu setzen. Er verfolgt die Rettungsarbeiten intensiv und fordert eine umfassende Untersuchung der Vorfälle.

Unterdessen wirft die Opposition der Regierung vor, eine Mitverantwortung für das Desaster zu tragen. Kürzungen hätten zu einer mangelhaften Wartung beigetragen. Angehörige nahmen die Kritik auf und sprachen davon, ein „Stück Müll“ auf die Reise geschickt zu haben. Die regierungskritische Zeitung „Pagina 12“ fasst den Ärger der Angehörigen zusammen: „Sie haben uns von Anfang an belogen“, zitiert das linksgerichtete Blatt Verwandte der Besatzungsmitglieder. Die konservative Presse kontert mit einem Zitat der ehemaligen Präsidentin Cristina Kirchner (2007 bis 2015), die nach der Generalüberholung des U-Bootes 2011 der ARA San Juan ein „nutzreiches Leben von mehr als 30 Jahren“ vorhersagte.

Explosion oder Implosion?

Kirchner hatte sogar eine lange Rede aus Anlass der Arbeiten gehalten. Die Reparatur der ARA San Juan endete noch in ihrer Amtszeit. An die Arbeiter der Werft gerichtet, sagte Kirchner: „Ich bin sehr stolz und sehr zufrieden mit der Arbeit, die sie realisiert haben.“ Für den politischen Streit um die Schuldigen haben die Angehörigen kein Gehör. Sie bangen weiter und hoffen auf einen Hoffnungsschimmer. Zuzeit konzentrieren sich die Rettungsarbeiten auf ein akustisches Signal, das vor der argentinischen Küste aufgezeichnet wurde. Marinesprecher Enrique Balbi nannte dies ein „anormales, kurzes, gewaltiges“ Geräusch.

Experten haben verschiedene Erklärungen dafür: Das Geräusch könnte durch eine Explosion ausgelöst worden sein oder aber dadurch, dass das U-Boot zu tief absackte und unter dem Druck zusammenbrach. Auch am Freitag hatten die Behörden noch kein verlässliches Wissen darüber, wo sich das vermisste U-Boot befindet. Die ARA San Juan befand sich vor über einer Woche auf dem Weg von Ushuaia in Feuerland, am südlichen Zipfel des südamerikanischen Kontinents, nach Mar del Plata. In diesem Gebiet variiert die Meerestiefe zwischen 200 und 3000 Meter, weil dort die Kante des unterseeischen Kontinentalsockels verläuft. Am vergangenen Mittwoch, vor neun Tagen, hatte das Boot einen Batterieschaden gemeldet und angekündigt, in den Stützpunkt zurückzukehren. Dann war der Kontakt abgebrochen. Der Sauerstoffvorrat an Bord reicht, wenn das U-Boot intakt und unter Wasser ist, nach Angaben der Marine etwa sieben bis zehn Tage.