Moderator Frank Plasberg will wissen, wer sich das schöne Leben in Deutschland in der Zukunft noch leisten kann. Foto: obs/ARD Das Erste

Wo ist die Schmerzgrenze beim Spritpreis? Braucht es eine staatliche Deckelung bei zwei Euro? Die ARD-Talkshow „Hart aber fair“ nimmt sich die überall steigenden Preise und die sozialen Folgen der Inflation vor.

Köln - Es geht aufwärts in Deutschland – und das vor allem bei den Preisen. Wo man hinschaut wird alles teurer, der Strom, das Gas, die Lebensmittel. Eine Inflation so hoch wie seit 28 Jahren nicht mehr, sie liegt bei 4,1 Prozent. „Das Leben ist schön in Deutschland, wenn man es sich nur leisten könnte“, frozelt Moderator Frank Plasberg am Montagabend bei „Hart aber fair“ und legt mit dem Aufreger Nummer eins nach. Der Benzinpreis sei aktuell über die magische Marke von zwei Euro geklettert – und das nicht nur an Autobahntankstellen. Für viele Pendler mehr als nur eine Zumutung, Mobilität geht ins Geld, die Tankstellenrechnungen tun weh.

Das rufe jene Zeiten in Erinnerung, wo die „visionären Grünen“ Ende der 90er Jahre eine Anhebung von fünf Mark pro Liter forderten. „Das gab damals einen Riesenaufschrei“, kommentiert Plasberg.

Wer verdient am satten Benzin-Aufschlag?

Wie es soweit kommen konnte, beschäftigt die muntere Talkshowrunde. Allen voran macht Katarina Barley, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, die ölproduzierenden Länder für den satten Aufschlag beim Benzin verantwortlich. „Die verknappen die Menge künstlich“, selbst wenn man ein paar Cent Steuern von den Preisen runternehmen würde, sei noch lange nicht garantiert, dass es für den Endverbraucher tatsächlich günstiger werde. Die Tatsache, dass bei einem Literpreis von 1,60 Euro die staatlichen Abgaben 99 Cent betragen und somit den bei weitem größten Teil ausmachen, wischt die SPD-Politikerin nonchalant beiseite.

Den Markt beobachten über Tankstellen-Apps

Der Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen empfiehlt eine Tankstellen-App, die die im Laufe des Tages variierenden Preise vergleicht. Da könne man in Berlin bis zu 18 Cent sparen, sagt er. Tenhagen steuert selbst gezielt die Billigzapfstellen an. „Wer an einer Autobahntankstelle tankt, muss in Mathe ab der vierten Klasse nicht aufgepasst haben“, polarisiert Tenhagen. Der Berliner muss sich sogleich von Barley zurechtstutzen lassen, die ihm klar macht, dass es erstens in vielen ländlichen Gegenden keine Tankstellenauswahl gibt. Und zweitens keine Ladesäulen. „Wir müssen den Umstieg auf die Elektro-Mobilität hinkriegen“, da müsse man die Leute auf dem Land unterstützen und da müsse auch „richtig viele Geld reingebuttert“ werden.

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Man werde die Umweltprobleme nicht mit der Tank-App lösen, mischt sich der CSU-Bundestagsabgeordnete und frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer in die Debatte ein. Er verweist auf die bereits umgesetzte Erhöhung der Pendlerpauschale, die zumindest jenen, die weitere Strecken fahren, eine gewisse finanzielle Entlastung biete. Der Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gibt zu bedenken, dass die Spitzenpreise beim Sprit weniger auf die CO2-Abgabe, die 25 Euro pro Tonne, zurückzuführen seien, sondern vor allem auf den hohen Ölpreis.

Ein „atmender Deckel“ könnte die Lösung sein

Gar nicht so schlecht findet er den Vorschlag seines CSU-Kollegen und Noch-Verkehrsministers Andreas Scheuer, den Spritpreis auf zwei Euro zu begrenzen. „Natürlich kann man Bestandteile rausnehmen“, sagt Raumsauer, „der Mechanismus eines atmenden Deckels“ sei durchaus machbar. Das Modell würde sicherstellen, dass Sprit durch staatliches Eingreifen nicht teurer als zwei Euro wird.

Doch nicht nur an der Tankstelle wird der Geldbeutel belastet, auch im Supermarkt macht sich die Inflation deutlich bemerkbar. Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Gesamtverbandes, sorgt sich um die Zukunft der Sozialschwachen in der Gesellschaft. Jene etwa, die Hartz IV beziehen oder von der Grundsicherung im Alter leben. „Es sind rund 13,2 Millionen Menschen, die man zu den Armen zählt“, sagt Schneider. Menschen, die kaum wüssten, wie sie über den Monat kommen, „eine wahnsinnig große Gruppe“, die nicht abgehängt werden dürfe.

Anhebung der Hartz-IV-Sätze nur um drei Euro

In einem aktuellen Gutachten des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sei aufgezeigt worden, dass die geplante minimale Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes verfassungswidrig sei, ärgert sich der Hauptgeschäftsführer. Die Anhebung der Regelbedarfe von monatlich 446 auf 449 Euro für Alleinstehende sei viel zu gering, „die Armen müssen mindestens Inflationsausgleich kriegen“.

Der Sozialstaat habe die nötigen Mechanismen, um auf die immensen Preissteigerungen zu reagieren, übt Ramsauer den Schulterschluss. Es müsse „sauber nachgesteuert werden bei Hartz IV und der Grundsicherung“, fordert der CSU-Mann, um jene, die es besonders hart treffe, zu entlasten.

Grünen-Chefin Neubaur fordert das Aussetzen von Stromsperren

Ins gleiche Horn bläst Mona Neubaur, die Landesvorsitzende der Grünen in Nordrhein-Westfalen. Sie schlägt vor, den Hartz-IV-Warenkorb neu zu berechnen. „Ich würde auch erwarten, dass es ein klares Signal gibt, dass Strom- und Gassperren ausgesetzt werden, sollte sich der Energiepreis durchschlagen“, fordert Neubaur und wünscht sich mehr Schutz für Menschen, die aus Not heraus Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Erstaunlich einig sind sich Plasbergs Gäste und erstaunlich friedlich. So schaukelt die Sendung mit dem Titel „Zieht euch warm an: Wie teuer sollen Heizen, Sprit und Lebensmittel werden“ ohne größere Turbulenzen vor sich hin. Sie driftet noch kurz zum Hält-Putin-Gas-bewusst-zurück-Thema und kriegt gerade so die Schlusskurve, garniert mit einem letzten Witz des Moderators, dass womöglich gleich die Heizung abgestellt werde.