Ein Weltkulturerbe: das Le-Corbusier-Haus. Foto: Lichtgut / Ferdinando Iannone

Zu Besuch am Welterbetag im Haus Le Corbusier in der Weißenhofsiedlung

Stuttgart - „Ist der Zaun auch original?“, fragt eine ältere Dame Marion Jäger, die am Sonntagvormittag anlässlich des bundesweiten Welterbetags durch das Haus Le Corbusier in der Weißenhofsiedlung führt. Die Expertin bejaht, sehr zum Erstaunen der Fragestellerin. Schließlich handelt es sich bei der Garten-Einfriedung um Maschendraht. Eine Besichtigung verdeutlicht, wie sehr sich Le Corbusier um eine Verbindung des Praktischen mit dem Ästhetischen bemüht hat. Hell und gesund sollte gelebt werden, aber auch funktional und platzsparend. Als die Siedlung 1927 entstand, war Wohnraum in Stuttgart knapp und teuer. Die Stadt hatte sich eben vorgenommen, 1000 neue Wohneinheiten pro Jahr zu schaffen.

Pfiffig, aber eng

Wie zeitlos der Bau ist, der seit 2016 zum Unesco-Welterbe zählt, verdeutlicht eine historische Werbung von Mercedes Benz, die einen 8/38 PS-Roadster vor der Bauhaus-Architektur zeigt. Das Auto ist heute ein Oldtimer. Die Fassade des heutigen Weißenhofmuseums wirkt modern. Im Inneren scheiden sich während der Führung die Geister. Die Idee, den Wohn- und Schlafraum mittels einer Schiebewand unterteilen zu können, finden die meisten pfiffig: Im Flur, der Kindern ermöglichte, nachts auf die Toilette zu gehen, ohne das elterliche Schlafzimmer zu betreten, wird gebrummelt, es sei arg eng. Die Maße entsprechen bewusst dem Gang in einem Zug. „Ach, ich denke, ich könnte hier leben“, bemerkt Silvia Rademacher (54), als sie die Dachterrasse betritt und sich der Blick über Stuttgart auftut. „So reagieren viele“, weiß Marion Jäger. Sie berichtet, ab 1929 habe eine Künstlerfamilie hier gelebt. Hausbewohner zu finden, sei gar nicht so einfach gewesen. Der Grund: eine vergleichsweise hohe Miete.