Die Arbeit geht Axel Sigel rund um Dettingen nicht aus. Auf jede entdeckte archäologische „Verdachtsfläche“ kommen schätzungsweise zehn unentdeckte. Foto: Ines Rudel

Axel Sigel ist ehrenamtlicher Beauftragter des Landesamts für Denkmalpflege. Seine jüngste Entdeckung ist vermutlich ein früherer Verhüttungsplatz bei Dettingen. Die Fläche zeugt von der mittelalterlichen Montanwirtschaft im Albvorland.

Dettingen - Wenn Axel Sigel zwischen Bäumen hindurch schreitet, dann macht er das mit anderen Augen als ein normaler Spaziergänger im Wald. Im Forst zwischen Dettingen und Owen deutet der 53-Jährige auf eine Vertiefung im Boden, bei der man auf einen Bombentrichter tippen könnte. „Der Laie geht dran vorbei, und denkt sich nichts dabei: ,ist halt ein Loch‘“. Axel Sigel hingegen identifiziert das kreisrunde trichterförmige „Loch“ mit 4,80 Meter Durchmesser als eine im Hochmittelalter ausgebeutete Eisenerzlagerstätte.

Der gelernte Schreiner ist in seiner Freizeit rund um seine Heimatgemeinde Dettingen den Zeugnissen der Vergangenheit auf der Spur. Seine vorerst letzte Entdeckung: Im Jahr 2016 ist der ehrenamtliche Beauftragte des Landesamts für Denkmalpflege Baden-Württemberg in der Flur Entensee entlang der Bundesstraße auf bis dato unbekannte umfangreiche Schlackenfunde gestoßen. Seine Ergebnisse hat Axel Sigel jetzt im Mitteilungsblatt der Gemeinde in seiner „Archäo-Nova“-Kolumne publik gemacht. „Hochgerechnet dürften wir es hier mit einigen Tonnen reiner ,Schnürchenschlacke‘ zu tun haben, die sich bei ohne Abstich geführten Rennöfen bildet“, erklärt der Hobby-Forscher fachmännisch.

Wo einst Eisen gewonnen wurde, fährt heute der Traktor

Der Fundort ist heute ein Acker. Ein Landwirt hat die im Boden schlummernden Schlacken ans Tageslicht gepflügt – neben Keramikscherben aus vergangenen Jahrhunderten, die teilweise bis in die römische Zeit zurück reichen. Axel Sigel vermutet, dass „hier in der Flur ein durchaus bedeutender zentraler und teilweise überbauter Verhüttungsplatz gewesen sein muss“.

Die Entdeckung ist inzwischen vom Landesamt für Denkmalpflege in den offiziellen Wissenschaftskanon aufgenommen worden. Laut Guntram Gassmann, Spezialist für Montanarchäologie im Landesamt für Denkmalpflege, liegt die Fundstelle in einem circa 40 Kilometer langen Gürtel zwischen dem Albtrauf und dem Neckarland, der im Mittelalter ein umfangreiches Montanrevier gebildet hat. Jede neue Fundstelle trage zusammen mit den bereits bekannten zum Gesamtverständnis bei und verdichte „die Hypothese einer längst vergessenen herausragenden Montanlandschaft im mittleren Albvorland“. Gemeinsam mit der Universität Tübingen bereitet das Landesamt derzeit ein Forschungsvorhaben zum Bergbau im Umland der Burgen am Albtrauf vor. In der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenblatts der Landesdenkmalpflege ist jetzt ein gemeinsamer Beitrag von Guntram Gassmann und Jörg Bofinger, Referatsleiter für Archäologie im Landesamt, sowie der Tübinger Archäologin Anke K. Scholz über die hiesige Eisenerzverwendung erschienen.

Rund um die Erzlagerstätten entstanden Machtzentren

Die Autoren legen darin unter anderem dar, wie sich um Lagerstätten lokale und regionale Macht- und Herrschaftszentren in Form von Burgen – etwa Hohenstaufen, Limburg, Teck und Hohenneuffen – bildeten. Das Eisenerz schien als Rohstoff „eine zentrale Ressource für die im Hochmittelalter florierende Region gewesen zu sein“, schreiben die Wissenschaftler. Der technologische Fortschritt muss bereits damals ein Markenzeichen der Gegend gewesen sein. Denn den Altvorderen gelang es, durch innovative Verfahren auch weniger gehaltvolles Material für eine effektive Metallausbeute zu nutzen. „Aus wenig viel zu machen war die Raffinesse der in der Region tätigen Spezialisten“, so die Autoren.

Axel Sigel fasziniert die Arbeit der Archäologen, und er leistet mit Herzblut seinen Beitrag dazu. „Meine Hauptaufgabe ist es, durch systematische Geländebegehungen unbekannte Bodendenkmäler zu entdecken und zu erforschen.“ Sämtliche Funde und Befunde kartiert er und er informiert das Denkmalamt.

Trommelstöcke gegen Grabungswerkzeug getauscht

25 Jahre lang hat Axel Sigel – mit Unterbrechungen – in verschiedenen Rockabilly Bands Schlagzeug gespielt. Vor sechs Jahren hat er seine „Trommelstöcke endgültig in die Ecke geschmissen“. Damit war der Weg frei für das spannende und aufregende Feld der Archäologie, das ihn schon immer interessiert hatte. Darauf gebracht hat ihn übrigens der Dettinger Heimatforscher Karl Oesterle. „Ohne seinen Einfluss wäre ich wohl niemals aktiv in die archäologische Forschungsarbeit eingetreten.“

Axel Sigel ist mit großem Elan bei der Sache. Pfeilspitzen, Beilklingen, Keramik – die Artefakte reichen von der Steinzeit über die Römerzeit bis hinein in das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit. Sigel: „Auf Dettinger Markung konnte ich zwischen 2013 und 2016 vier bislang unbekannte archäologische ,Verdachtsflächen‘ entdecken. Man schätzt, dass auf jede entdeckte Verdachtsfläche zehn unentdeckte kommen – es ist also noch einiges zu tun.“

Rund 250 Ehrenamtliche sind ein Fundament der Denkmalpflege

Engagement
In der täglichen Arbeit der Archäologie sowie der Bau- und Kunstdenkmalpflege im Land ist ehrenamtliches Engagement unverzichtbar. Allein in der archäologischen Denkmalpflege sind rund 250 ehrenamtliche Beauftragte im ganzen Land unterwegs und übernehmen nicht zuletzt eine wichtige Kontaktposition zwischen staatlicher Denkmalpflege und örtlichen Institutionen.

Aufgaben
Zu den Aufgaben der ehrenamtlich Beauftragten zählen die Beobachtung archäologischer Verdachtsflächen, die Überprüfung bekannter archäologischer Denkmale, die Überwachung von Baumaßnahmen vor Ort bis hin zur Dokumentation und Bergung archäologischer Funde. Die Ehrenamtlichen sind fachkundig geschult und arbeiten eng mit dem Denkmalamt zusammen.

Wertschätzung
Die Fundmeldungen der Helfer „stellen ein wichtiges Fundament der Denkmalkenntnis im Land dar“, sagt Jörg Bofinger vom Denkmalamt. Die Wertschätzung dieses Engagements spiegle sich nicht zuletzt im „Archäologiepreis Baden-Württemberg“ wider. Diese Auszeichnung wird alle zwei Jahre in Stuttgart an Einzelpersonen und Institutionen verliehen.