Arcadi Volodos Foto: SWR

Der russische Pianist Arcadi Volodos hat im Stuttgarter Beethovensaal einen leisen, konzentrierten Klavierabend gegeben.

Stuttgart - Licht aus, Ton an. Der Beethovensaal ist fast ganz dunkel, nur auf den Steinway vorne richtet sich fahles Licht. Von rechts schreitet der russische Pianist Arcadi Volodos über die Bühne – nein, eher schiebt er seinen Körper hin zum schwarzen Tastenkasten, verneigt sich kurz vor dem lauschenden Dunkel und fängt an. Unweigerlich denkt man an Volodos’ Landsmann Grigory Sokolov, der ebenfalls sowohl licht- als auch ein wenig publikumsscheu ist, im Gegensatz zu seinem Kollegen aber jünger ist, als er aussieht. Volodos ist tatsächlich erst 46, aber er bietet am Samstag bei den „Meisterpianisten“ der SKS Russ einen erstaunlich abgeklärten, ja geradezu altersmilden Klavierabend, der von extrem zurückgenommener Dynamik und hoher Konzentration lebt.

Beides gilt auch für das Publikum, das ganz Ohr ist und mucksmäuschenstill. Kein Husten ist zu hören, kein Bonbonpapier raschelt, als Volodos mit Schuberts unvollendeter E-Dur-Sonate D 157 beginnt. Diese kommt hier fast als Understatement daher: als stille Hommage an die Schönheit schlichten Singens, das die (insgesamt extrem eigenständige, ja oft fast ein wenig eigensinnige) linke Hand des Pianisten im Menuett durch ein fast schon ironisch trockenes Begleit-Staccato ergänzt. Schuberts „Moments musicaux“ danach wirken fast noch zurückgenommener, zuweilen an der Grenze zum Verhuschten, zuweilen auch (im As-Dur- und im f-Moll-Stück) fast wie freies Fantasieren. Über das Singen und das Dirigieren ist Volodos zum Klavier gekommen, beides meint man zu hören: aus seinem Sinn für Melodie und Phrasierung wie aus seiner Gestaltung, die Kommendes mitdenkt. Über manche eher gewagte und gewollte Verzögerung, Tempo-Stauung und -Beschleunigung könnte man streiten, auch über den reichlichen Pedalgebrauch. Man findet aber weder Zeit dazu noch ausreichend Anlass, denn es gibt nur wenige Momente, in denen man nicht in den Bann geschlagen wird.

Spätestens mit seinen extrem zurückgenommenen Interpretationen von kleinen Stücken Rachmaninows und Skrjabins beweist Arcadi Volodos, wie konsequent sein Weg nach innen geht. Verspielt mag da manches wirken, manches auch verdeckt virtuos. Aber so virtuos nach außen wirken wie noch vor wenigen Jahren will keine der kleinen Geschichten mehr, die der Russe mit feinem, variablen Anschlag am Flügel erzählt. Fünf Zugaben gibt’s obendrein. Danach geht das Licht an, und man reibt sich die Augen.