Szene aus „Nixe“ bei der Jungen Oper Stuttgart Foto: Kalscheuer

Antonín Dvoráks Oper „Rusalka“ handelt vom Scheitern einer Liebe zwischen einem Menschen und einer Meerjungfrau. „Nixe“ ist eine neue Bearbeitung der romantischen Oper für Kinder und Jugendliche – mit problematischem Ergebnis.

Ludwigsburg - Es ist ein Bild, das man nicht vergisst. Jaroslav Kvapil, der das Libretto zur Oper „Rusalka“ des tschechischen Komponisten Antonín Dvorák verfasste, beschreibt einen Waldsee, in dem ein Prinz badet – und das Wasser, das ihn umspielt und umfängt, ist: Rusalka, die Nixe, das sinnliche Zauberwesen, das den Mann mit seinem Singen so betört, dass er immer wieder zu ihr kommt. Es folgt die traurige, tödlich endende Liebesgeschichte zweier Wesen, die einander in ihrer Fremdheit anziehen. „Rusalka“ ist eine Märchenoper, musikalisch gesehen manchmal fast so etwas wie eine gesungene Sinfonie, die mit einem Bein schon im 20. Jahrhundert steht, und sie ist Dvoráks bis heute populärstes Werk für das Musiktheater.

Im Ludwigsburger Forum am Schlosspark, das hier neben dem im Graben sitzenden Landesjugendorchester Baden-Württemberg Kooperationspartner der Jungen Oper Stuttgart ist, beginnt „Nixe“ mit elektronischen Klängen von Alexandra Holtsch. Man hört Wassergeräusche, später ferne Stimmen, und in die Unterwasserwelt auf Jelena Nagornis Bühne, auf der Wasserrohre, ein leeres Aquarium, eine Waschmaschine und ein Seepferdchen das Thema assoziativ weiterspinnen, gleitet vom Schnürboden herab: ein Mann der Träume, ein träumender Mann.

Der Prinz ist da! Die blonde Nixenfrau – Stretchhose, Turnschuhe, blaue Bluse – küsst ihn auf den Mund. Sie will bei ihm bleiben. Weil der Mensch unter Wasser nicht leben kann, will Rusalka ein Landwesen werden wie er und lässt sich von der Hexe Jezibaba all das wegzaubern, was sie besonders macht. In Dvoráks Oper wie jetzt in „Nixe“ ist dieses Besondere die Stimme, der Gesang. Die aus Liebe verzauberte Rusalka verliert allen Zauber, weil sie stumm ist, und so siegt das Fremde zwischen zwei Wesen über das Gefühl, das sie miteinander verbindet.

Während „Rusalka“ folgerichtig mit dem Tod des Prinzen endet, gibt es in „Nixe“ einen offenen Schluss. Zumindest auf der Bühne: Da sinken der Menschenprinz und das Wasserwesen einander in die Arme – und weiter geht es, das große Schweben eines Stücks, das mit Motiven spielt, das musikalisch wie szenisch Unterschiedliches nebeneinander stellt, das ganz Traum und also irgendwie auch unerklärt bleiben will.

Ob das Zielpublikum dies versteht? Eine Zwölfjährige, nach der Vorstellung rasch befragt, erklärte, in „Nixe“ werde eine Frau aus Liebe zu einem Fisch. Das Mädchen hat gut hingeschaut: Tatsächlich drehen die Leiterin der Jungen Oper, Barbara Tacchini, als Regisseurin, und die Kostümbildnerin Mascha Schubert die Bilder um: Bei ihnen trägt Rusalka nur als Mensch einen Fischschwanz – eine Idee, die dem Spiel und der Poesie verpflichtet sein mag, dem Publikum aber eine hohe Übersetzungsleistung abverlangt.

Nicht unproblematisch ist auch die musikalische Seite, denn da werden einer Art Best-Of-„Rusalka“ mit wechselweise deutschen und (bei den Arien) tschechischen Texten rein elektronische Wasserspiele zwischen- und einmal auch zugeschaltet. Das wirkt doch ein bisschen wie Publikums-Anbiederung, und der lange, nur von Wassertropfen begleitete gesprochene Monolog des Prinzen im Mittelteil (Text: Tim Staffel) ist nicht nur auf Dauer gähnlangweilig, sondern bringt das Stück auch aus der Balance.

Dass die Szene gelegentlich für ironische Brechungen (Sushi für die Hexe) sorgt und dass unter den sehr vielen Videobildern des Duos Impulskontrolle einige überraschende Überblendungen und eigenwillige Perspektiven sind, tröstet nicht darüber hinweg, dass „Nixe“ jene Idee und Klarheit abgeht, die eine Kinder- und Jugendoper haben muss. Stattdessen erlebt man ein freies, oft auch beliebiges Spiel mit Märchenmotiven. Und mit einer schönen Musik von vorgestern, die von den Mädchen des Projektchores ganz wunderbar, von Kristi Anna Isene (Rusalka), Philipp Nicklaus (Prinz), Renée Morloc (Jezibaba) und David Steffens (Wassermann) hingegen nicht mehr als ordentlich gesungen wird. Dass das neue Stück wieder Lust auf das alte macht, ist ein geringer Trost.

Nochmals am 22., 23. und 25. April. Karten gibt es unter 07 11 / 20 20 90