Heimwerken ist gut für die Psyche, sagt Baumarktleiter Marco Sicuro. Gerade in Krisenzeiten lenkten kleine Projekte von größeren Problemen ab. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In der Coronakrise werden die eigenen vier Wände zum Großprojekt. Besonders beliebt sind Malerarbeiten und kleine Reparaturen im Haus. Auch im Baumarkt gibt es inzwischen Hamsterkäufer.

Stuttgart - Wer seine eigenen vier Wände schon nicht verlassen kann, sieht besonders deutlich, was mal wieder renoviert werden müsste: Dank Corona hat das Heimwerken plötzlich wieder Hochkonjunktur. An vorderster Front merken das die Baumärkte, die in Deutschland ein so dichtes Netz geknüpft haben wie in kaum einem anderen europäischen Land. Mehr als 2000 von ihnen zählte 2019 eine Studie, die Kassen klingelten schon vor dem Ausbruch der Pandemie kräftig: Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Branche rund 19 Milliarden Euro.

Nachgelassen habe das Heimwerker-Fieber in seiner Filiale noch lange nicht, berichtet Marco Sicuro, der den Toom-Markt am Cannstatter Wasen leitet. „Die Leute müssen sich ablenken und gehen jetzt Dinge an, die sie sonst vielleicht nie gemacht hätten. Wenn man seine eigenen vier Wände häufiger sieht als sonst, sollen sie wenigstens schön sein“, vermutet er. Auch die Stuttgarterin Bianca Bräscher bestätigt das. Hauptberuflich ist sie Schreinerin, seit 2017 berät sie Heimwerker bei ihren Projekten – vom verzweifelten Familienvater bis hin zum versierten Bastelprofi. Besonders jetzt in der Krise sei die Nachfrage groß: „Oft reicht ein Anruf oder ein Skypegespräch, um Probleme aus dem Weg zu räumen.“ Vor allzu viel Euphorie beim Heimwerken warnt sie trotzdem. Denn das Basteln und Tüfteln kann einem Amateur schnell über den Kopf wachsen. „Deshalb ist es wichtig, mit Plan an ein Projekt heranzugehen.“

Ausweg aus dem Corona-Blues

Diesen Schritt hat Christof Wenz aus Backnang schon lange hinter sich. Im Toom am Cannstatter Wasen stöbert der erfahrene Heimwerker häufiger; an diesem Abend sind es vor allem die Regenrinnen, die es ihm angetan haben. Welches Modell am Ende das Dach seines neuesten Projekts zieren darf, scheint noch nicht entschieden. „Ich baue an einer Erweiterung für meinen Gartenschuppen, auch ein Tiergehege gehört zu den Planungen“, sagt er. Mit der Baustelle am eigenen Haus kommt bei dem Familienvater kein Corona-Blues auf. „Ich arbeite aktuell deutlich mehr an meinem Projekt als noch vor der Krise. Die Zeit dafür ist jetzt einfach da.“ Auch für sein vierjähriges Kind hat sich Christof Wenz einiges einfallen lassen: Mit einer Gießkanne im Miniformat wird der Nachwuchs an die Gartenarbeit herangeführt, für die ganz große Langeweile ist mit Luftballons und einer Heliumflasche aus dem Baumarkt vorgesorgt.

Es sind Geschichten wie diese, die für Marco Sicuro die deutsche Heimwerker-Szene ausmachen. In der Krise merke er das besonders, sagt er: „Wir Baumärkte sind für die Psyche der Menschen sehr wichtig. Wir geben den Leuten eine Beschäftigung und helfen ihnen damit durch die schwere Zeit.“

Auch im Baumarkt wird gehamstert

Hoch im Kurs steht derzeit alles, was mit Malerarbeiten zu tun hat; bei den Wandfarben gibt es kurz vor Ostern sogar einen kleinen Lieferengpass. Neben der Gartenabteilung laufe das Zubehör für kleinere Reparaturen schon seit Wochen gut, berichtet Sicuro. „Ich vermute, dass sich viele in der aktuellen Situation lieber noch einmal selbst helfen, anstatt gleich einen Handwerker zu bestellen. Das würde ja ein gewisses Infektionsrisiko bergen“, sagt er.

Ein Phänomen bleibt für Marco Sicuro allerdings ein Rätsel: Nach den Supermärkten scheinen Hamsterkäufer nun die Baumärkte für sich entdeckt zu haben. Produkte, die sonst im Randsortiment stünden, müsse er plötzlich palettenweise ordern, sagt er. Neben Gasgrills, Küchenrollen und Desinfektionsmittel treffe das vor allem auf Stromerzeuger zu: „Vielleicht liegt der Anstieg in diesem Bereich auch am Beginn der Gartensaison, aber ein bisschen seltsam ist es schon.“