Der Gebetsraum der Moschee in Stuttgart-Feuerbach – nach Hanau rückt die Sicherheitsfrage auch hier wieder in den Vordergrund. (Archivbild) Foto: dpa/Daniel Naupold

Der rassistisch und islamfeindlich motivierte Anschlag in Hanau wirft bei Muslimen die Frage auf, wie Moscheen besser geschützt werden können. Dabei gibt es wohl auch Gespräche mit der jüdischen Gemeinde – deren Synagogen oft Festungen gleichen.

Berlin - Viele Muslime in Deutschland sind nach dem Anschlag des Tobias R. auf zwei Shisha-Bars in Hanau, der elf Menschenleben gefordert hatte, verunsichert. Dem Manifest des Attentäters zufolge speiste sich die Tat aus einer rassistischen und islamfeindlichen Weltsicht. Das beschäftigt auch die Islamverbände – und wirft die Frage auf, ob Moscheen hinreichend geschützt sind.

Mehr Polizeischutz für Moscheen sicherte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) unmittelbar zu, viele Länder, darunter auch Baden-Württemberg, folgten der Weisung und sorgten für mehr Polizeipräsenz. Mittelfristig, so sieht es der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), reiche das aber nicht. Moscheen müssten auch baulich besser gesichert werden.

„Die Probleme Hass und Rassismus werden nicht gelöst, indem man sie mit polizeilichen Schutzmaßnahmen vor Moscheen angeht, aber so werden gegebenenfalls Menschenleben gerettet“, sagt Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime. „Alles, was dazu führt, dass die Gefahr baulich oder organisatorisch eingedämmt wird, ist jetzt notwendig.“ Die vermeintlich abstrakten Gefahren, von denen Sicherheitsbehörden lange gesprochen hätten, seien eine reale Bedrohung.

Mauern statt Gartenzäune

Als konkrete Maßnahmen nennt Mazyek: Kameras, Sicherheitstüren, Sicherheitspersonal, Mauern statt Gartenzäune, diebstahlsichere Fenster. Das erinnert an die Standards, die heute bei vielen Synagogen der jüdischen Gemeinden gelten. Die Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg (IRGW) im Stuttgarter Hospitalviertel gleicht einer Festung. Besucher finden dort Schleusentüren, Ausweiskontrollen und nachvollziehbares Schweigen zur Stärke des Sicherheitspersonals vor.

Ziehen die Moscheen jetzt nach und rüsten bei der Sicherheit ähnlich auf? Laut Aiman Mazyek wäre das wünschenswert. „Wir beschäftigen uns schon seit Christchurch viel intensiver mit Sicherheitsfragen“, sagt er. Am 15. März 2019 tötete der Rechtsterrorist Brenton Tarrant bei einem Terroranschlag auf zwei Moscheen in der Stadt in Neuseeland insgesamt 51 Menschen, filmte und verbreitete seine Tat live im Internet.

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Auf die Frage, welche Moscheen oder anderen Orte des muslimischen Lebens in Deutschland besonders gefährdet seien, antwortet Mazyek: „Da können wir bei unserer Geschäftsstelle in Köln anfangen.“ Sie sei mehrfach Ziel von Mordaufrufen geworden, verdächtiges Pulver in einem Brief habe kürzlich zur Räumung des Gebäudes geführt.

Zentralrat der Juden will sich nicht äußern

2019 wurden demnach im Schnitt in Deutschland jeden zweiten Tag eine muslimische Einrichtung Ziel von Angriffen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen wie Schmierereien seien an der Tagesordnung. Vor einigen Jahren habe man darum bereits damit begonnen, mehr in Sicherheit zu investieren. „Moscheen engagieren Sicherheitsfirmen, es gibt Schulungen mit der Polizei, wie man sich im Falle der Fälle verhält“, sagt Mazyek. Und es gab und gibt wohl auch einen Austausch mit anderen Religionsgemeinschaften.

„Wir pflegen schon seit Jahren einen Austausch mit der jüdischen Gemeinde, was bauliche und technische Ausstattungen angeht“, sagt Mazyek. Wie dieser Austausch im Detail aussah oder aussieht, darüber ist beim Zentralrat der Juden (ZdJ) nichts zu erfahren. „Wir äußern uns zu Sicherheitsfragen grundsätzlich nicht“, hieß es auf eine Anfrage unserer Zeitung.

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Mit staatlichen Mitteln wird die Sicherheit in Moscheen laut Islamverbänden aktuell nicht finanziert – abgesehen vom Polizeischutz. Bei den Einrichtungen jüdischer Gemeinden ist das teilweise anders und ändert sich gerade. Nach dem antisemitischen Anschlag auf eine Halle im Oktober 2019, bei dem die Sicherheitstür einer Synagoge dem Beschuss des Angreifers standhielt, hatte sich der Landes-Ministerrat getroffen und Maßnahmen zum Schutz der jüdischen Gemeinden getroffen.

Ungleichheit bei Finanzierung

Das Ergebnis schlägt sich auch bei der IRGW und der Stuttgarter Synagoge nieder. „Inzwischen haben wir einen Bewilligungsbescheid, dass wir 2020 bestimmte Maßnahmen, die wir gemeinsam mit Behörden des Innenministeriums definiert haben, durchführen können“, sagt Susanne Jakubowski vom Vorstand der IRGW. Sie ist dort auch für Sicherheitsfragen zuständig und nicht ganz so verschwiegen wie der ZdJ. „Es wird Gespräche geben, um eine Verstetigung der Förderung von Personalausgaben für Sicherheit herbeizuführen“, sagt Jakubowski. Zuvor seien alle Ausgaben aus Eigenmitteln finanziert worden.

So müssen es die Islamverbände auch machen. Insgesamt 2000 Moscheen, Gebetsräume eingerechnet, gibt es nach Angaben des ZMD in Deutschland, 300 Moscheen und etwa 100 Gebetsräume davon in Baden-Württemberg.

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Auf Landes- und Kommunalebene rückt das Thema Sicherheit in Islamverbänden nach Hanau besonders in den Fokus. „Auch wenn die Polizei gerade große Präsenz an Moscheen zeigt, ist fraglich, ob die Sicherheitsbehörden das rund um die Uhr tun können“, sagt Ali Ipek, Landeskoordinator des Moscheenverbands Ditib in Württemberg. Es müsse darum „ein anderes Konstrukt her.“

Veranstaltung gegen Aggression auf Religion

Wie dieses genau aussehen könnte, darüber beraten die Verbände gerade, untereinander und im Rat der Religionen Stuttgart, wo fast alle Stuttgarter Religionsgemeinschaften, auch die IRGW, an einem Tisch sitzen. Das bestimmende Thema auch dort: Sicherheit. Am 31. März will der Rat im Haus der katholischen Kirche an der Königstraße öffentlich auf Aggressionen gegen Religionen aufmerksam machen.

Auf die Frage, wie weit es Moscheen bei der baulichen Sicherheit treiben sollen, ist Ipek zurückhaltender als der Zentralrat der Muslime. „Mein persönliche Meinung ist, dass Gotteshäuser – egal welcher Religion – für alle Besucher leicht zugänglich sein sollen“, sagt er. Ein Mindestmaß an Sicherheitsmaßnahmen befürwortet aber auch er: „Dass die Moscheen Sicherheitskameras auf ihren Grundstücken aufstellen sollten, sagen wir seit Jahren.“