Die Runde bei „Anne Will“ ist hochkarätig besetzt. Foto: dpa

Die SPD hat ihren Wählern Versprechungen gemacht, die nun die Union einhalten soll. Bei der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag sind die Parteivertreter bemüht, den Groko-Ballon nicht sofort platzen zu lassen.

Stuttgart - Nominell gesehen hat es schon deutlich schlechtere Besetzungen gegeben. Die Runde der Republikerklärer bei „Anne Will“ hatte am Sonntag immerhin zwei leibhaftige Parteichefs zu bieten, nämlich Martin Schulz (SPD) und Christian Lindner (FDP), zudem mit Peter Altmaier (CDU) noch einen Kanzleramtsminister. Eine in der Tat hochklassige Besetzung, die freilich nicht die Frage klären konnte, wie es nach dem SPD-Parteitag nun weiter geht im Land. Groko oder nicht – das bleibt offen. Interessante Erkenntnisse gab es gleichwohl.

Beim SPD-Parteitag in Bonn durften sich lediglich rund 600 Delegierte davon überzeugen, dass ihr Noch-Parteichef an Kraft und Durchschlagsfähigkeit eingebüßt hat, nun sah das eine ganze Fernsehnation. Dass das von den Fernsehkameras auf dem Parteitag eingefangene Schulterzucken des SPD-Vorsitzenden „keinen politischen Inhalt“ hatte, war denn schon eine der interessanteren Ausführungen von Martin Schulz. Ansonsten: viel Wiederholung des bisher gesagten, viel scheinbar Vernünftiges, nichts, was zu einem Ruck führen könnte, weder bei der SPD noch in der Republik.

Sondierungspapier – Pakt oder Rahmen?

Der große Knackpunkt im Verhältnis zur Union, wie mit dem Sondierungsergebnis nun umzugehen sei, er ist auch den Fernsehzuschauern offensichtlich geworden. „Eine Grundlage für weitere Verhandlungen“, sagt Schulz. „Ein Pakt, den wir nicht aufschnüren werden“, sagt Peter Altmaier. Das ist zusammengefasst, was die Diskussion der nächsten Tage bestimmen wird. In unendlich vielen Variationen. „Wir haben sondiert, jetzt wird verhandelt“, sagt Schulz. „Kein Koalitionspartner kann den Anspruch haben, das Regierungshandeln allein zu bestimmen“, sagt Altmaier.

Altmaier und Schulz gehen vergleichsweise freundlich miteinander um, respektvoll, kann man auch sagen. Peter Altmaier interpretiert seinen Kollegen Volker Kauder, der laut Anne Will gesagt hat, was Martin Schulz gesagt haben soll. Verwirrend unklar bleibt das. Es ist wahrscheinlich dem Fehlen eines bayerischen Union-Vertreters in der Runde zuzuschreiben, dass der Groko-Ballon nicht schon am Sonntag Abend platzt.

Die Christsozialen aus dem Südosten der Republik sind weit weniger konziliant im Ton und Umgang mit der SPD, und auch nicht so rücksichtsvoll bei den Inhalten. Es bleibt der Spiegel-Redakteurin Christiane Hoffmann in der Runde vorbehalten, klar auszusprechen, worin das Groko-Dilemma der kommenden Tage bestehen wird: „Herr Schulz, sie mussten ihren Mitgliedern Versprechungen machen, die Herr Altmaier nun halten muss“. Stichworte sind Familiennachzug, Krankenversicherung und die sachgrundlose Befristung bei Arbeitsverträgen. Da wollen die Genossen Nachverhandlungen.

Der FDP-Chef schüttelt den Kopf

Und Christian Lindner? Der FDP-Chef präsentiert sich mit heftigem Kopfschütteln, als Martin Schulz erklärt, dass die Freidemokraten während des Wahlkampfes klar für ein Bündnis mit der Union votiert hätten. Verbal untermauert Lindner kurz darauf seine Gestik: Die Unterschiede zwischen Union und SPD seien viel geringer als zwischen CSU, FDP und Grünen, sagt er. Und: Bei Jamaika seien die programmatischen Differenzen so gewaltig gewesen, dass er eine Koalition gegenüber den eigenen Wählern nicht hätte vertreten können.

Ein Satz, der zu merken lohnt. Denn wenn die FDP bei den nach wie vor möglichen Neuwahlen keine Bündnisoption mit der Union sieht, dann kommt für den Fall eines Regierungswillens nur die Alleinherrschaft oder ein Bündnis mit der SPD in Betracht. Letzteres ist, man muss das in Zeiten wie diesen ausdrücklich sagen, blanke Ironie.

Es ist dann noch einmal Christiane Hoffmann vorbehalten, einen bedenkenswerten Impuls zu setzen. „Viele haben das Gefühl, dass eine große Koalition nicht mehr in die Zeit passt, haben sich einen Aufbruch gewünscht“, sagt die Journalistin. Die anwesenden Politiker nicken, und machen wenig Anstalten, visionäre Zukunftskonzepte zu verfassen. Apropos Zukunft: Ob er denn in eine Regierung Merkel eintreten würde, wird Martin Schulz gefragt. Das habe er nach der Wahl schließlich kategorisch abgelehnt, so kategorisch wie eine große Koalition. Schulz beantwortet die Frage nicht. Vielleicht ist das auch besser so.