Die Willkommenspatinnen Maria Schlipf und Kornelia Krapf mit der Leiterin des Welcome-Centers, Suzana Hofmann, und der Projektleiterin Lisa Hauff (von links) Foto: Lichtgut/Julian Rettig

160 verschiedene Nationen leben in der Landeshauptstadt. Damit aus der neuen Heimat Stuttgart auch ein Zuhause wird, bietet das Welcome-Center allen Neuzugewanderten Hilfe im Behörden-Zirkus und Immobilien-Dschungel an. Ein Blick auf die schwäbische Willkommenskultur.

Claudia Acosta ist 30 Jahre alt, als sie im Herbst 2017 für die Liebe nach Stuttgart zieht. Die größte Herausforderung ist die neue Sprache. Nicht alle haben die nötige Geduld, wenn sie nach den richtigen Worten sucht. Trotzdem fühlt sie sich in der Landeshauptstadt schnell wohl, in Stuttgart habe man ein Verständnis für das internationale Miteinander, meint die gelernte Rechtsanwältin. In der Stadtbibliothek fällt ihr eine Broschüre des Welcome-Centers in die Hände. Dort erhält sie nicht nur Antworten auf ihre Fragen, sie bekommt auch die Willkommenspatin Maria Schlipf an die Seite gestellt. Ein Glücksfall für die Südamerikanerin, denn die pensionierte Lehrerin nimmt sich viel Zeit, um mit ihr Deutsch zu üben, begleitet sie bei Behördengängen und unternimmt mit ihr Ausflüge. „Meine Willkommenspatin und ihr Mann sind wie meine Eltern. Es ist sehr schön, so eine Familie zu haben, wenn man weit weg von zu Hause ist. Wenn ich etwas brauche, sind sie meine Anlaufstelle“, erzählt Acosta.

„Lotsen zum nächsten Amt“

Jährlich ziehen viele Tausend Menschen aus dem Ausland in die Landeshauptstadt. Menschen aus 160 Nationen wohnen in Stuttgart. Im Oktober 2014 wurde das Welcome-Center am Charlottenplatz von der Stadt Stuttgart in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung eingerichtet. Es ist die zentrale Anlaufstelle für alle Neuzugewanderten, die Fragen über beispielsweise das Aufenthaltsrecht, die Arbeit, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse oder Wohnen haben.

Die Mitarbeitenden verstehen sich auch als „Lotsen zum nächsten Amt“, wie die Leiterin Suzana Hofmann ihre Funktion beschreibt. „Es gibt hier keine Frage, die nicht gestellt werden kann. Wenn wir sie nicht beantworten können, dann wissen wir, wer es kann“, sagt Hofmann.

„Wir sind dankbar, dass Sie zu uns gekommen sind“

Die 14 Mitarbeitenden kommen aus verschiedenen Bereichen und bündeln ihr Wissen im Welcome-Center. Täglich 20 bis 35 Menschen werden zu den Öffnungszeiten auf Deutsch, Englisch oder in einer der neun weiteren Sprachen beraten. Dabei es geht nicht nur um die Verständigung, sondern auch um den richtigen Ton. „Das Wichtigste ist, wie man den Menschen entgegentritt. Deshalb sage ich den Neubürgern: Wir sind dankbar, dass Sie zu uns gekommen sind – herzlich willkommen“, erzählt Suzana Hofmann. Dass man sich über die Zugewanderten freut, liegt auch am europaweiten Fachkräftemangel. Stellt sich heraus, dass die Neubürgerinnen und Neubürger Hilfe bei einem Telefonat oder beim Ausfüllen eines Formulars benötigen, erhalten  sie einen Termin beim Migrationsdienst oder bekommen eine Willkommenspatin oder einen Willkommenspaten zur Seite gestellt.

Aus Patenschaft wird Freundschaft

In Kooperation mit der Abteilung Integrationspolitik gibt es seit knapp acht Jahren das Begleitprojekt der Willkommenspatinnen und -paten. Freiwillige begleiten für eine Zeit lang die Neuzugewanderten und unterstützen sie dabei, in Stuttgart anzukommen. Derzeit gibt es 80 aktive Ehrenamtliche. Was bleibt, ist oft mehr als die anfängliche Unterstützung bei Behördengängen, der Wohnungs- und Arbeitssuche oder gemeinsames Deutschlernen. Aus Patenschaft wird in vielen Fällen Freundschaft.

„Einige der Willkommenspaten waren selbst einmal Neubürger“, berichtet die Leiterin des Projekts, Lisa Hauff.

„Das Projekt der Willkommenspaten ist eine Win-win-Situation“

Kornelia Krapf begleitet seit 2017 Neuzugewanderte. Ihre erste Mentee, eine von ihr betreute junge Frau aus Polen, gehört mittlerweile fest zu ihrem Leben dazu. „Mich bereichert das unglaublich. Es ist nicht so, dass man im Ehrenamt nur gibt. Man bekommt auch so viel zurück.“ Die pensionierte Lehrerin hatte schon immer Freude daran, neue Leute zu treffen, und hat durch ihren Beruf viele Ideen, wie man Deutsch lernen kann. Das gemeinsame Üben der neuen Sprache stand auch bei einer Frau aus Nepal im Vordergrund, die vor acht Jahren nach Deutschland kam und von Kornelia Krapf mittlerweile als „Tochter“ bezeichnet wird. „Das Projekt der Willkommenspaten ist eine Win-win-Situation. Wenn wir auf Menschen zugehen und sie willkommen heißen, ist das für beide Seiten sehr bereichernd“, sagt die 68-Jährige.

Die Zurückhaltung der Schwaben

Die Schwaben haben den Ruf, eigenbrötlerisch und verschlossen zu sein. Suzana Hofmann glaubt, dass die Zurückhaltung mancher Stuttgarter fälschlicherweise als Ablehnung empfunden wird. „Deshalb rate ich den Neubürgern, den ersten Schritt zu machen. Fragen Sie die Person, die Ihnen entgegenkommt, doch einfach mal, wie es ihr geht.“ Lisa Hauff, die Projektleiterin der Willkommenspaten, appelliert an ein höheres Bewusstsein, dass in Stuttgart viele Menschen aus dem Ausland leben: „Wir müssen uns noch mehr gegenüber anderen Kulturen öffnen.“