Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigt bei ihrer Rede im Bundestag die Politik der Regierung. – und fordert, die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen. Foto: AFP

Nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern verteidigt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik. Und fordert Politiker im Bundestag dazu auf, sich sprachlich und sachlich nicht an Populisten zu orientieren.

Berlin - Es waren nur Kleinigkeiten, die signalisierten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihren politischen Kurs kämpft, allem Widerstand zum Trotz. Nur ein, zwei Mal wurde ihr Ton vehement, wurden die Handbewegungen heftiger, bei der Rede in der Generaldebatte des Bundestags zum Haushaltsentwurf 2017 an diesem Mittwochvormittag. „Die Situation heute ist um ein Vielfaches besser als vor einem Jahr“, betonte Merkel, und erinnerte an die Debatte damals, die ganz im Zeichen der Flüchtlingsbewegung stand.

Seither habe sich viel getan, man gebe mehr aus für Wohnungsbau, für Integration, für innere Sicherheit – das komme nicht nur Flüchtlingen zugute. Merkel sprach von einem „nationalen Kraftakt“, von viel Ehrenamt und Hilfsbereitschaft und davon, dass die Zahl der Flüchtlinge seit dem umstrittenen Abkommen mit der Türkei gesunken sei, dass man Ordnung und Steuerung der Flüchtlingsbewegung erreicht habe. Sie verteidigte ihre Flüchtlingspolitik, für ihre Verhältnisse sogar vehement. Auch, wenn noch viel zu tun bleibe, wie sie sagte – zum Beispiel im Hinblick auf Rückführungen, auf die Integration der vielen Menschen, die hierherkamen, auf die Solidarität innerhalb der EU.

Merkel bezeichnet AfD als Herausforderung für alle Parteien im Bundestag – Man dürfe sich nicht an Ton der Populisten orientieren

Immer wieder war der Wahlerfolg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern am vergangenen Sonntag auch Merkel in die Schuhe geschoben worden, ihrem Kurs in der Flüchtlingsdebatte. Immerhin war die AfD mit 20,8 Prozent aus dem Stand zweitstärkste Kraft geworden – vor der CDU. Die AfD, sagte Merkel, sei aber nicht nur eine Herausforderung für die Christdemokraten, sondern eine Herausforderung für alle in diesem Haus. Damit kontert sie wohl indirekt die Aussagen von SPD-Chef Sigmar Gabriel, der eine Mitschuld seiner Partei am Erfolg der AfD noch kurz vor der Generaldebatte zurückgewiesen hatte. Jeder müsse sich an seiner eigenen Nase fassen – aber wenn man nur den eigenen Vorteil suche, um nach so einem Wahltag mit einem blauen Auge davonzukommen, gewinne letztlich die Partei, die auf scheinbar einfache Antworten setze. „Wenn wir uns das verkneifen und bei der Wahrheit bleiben, dann gewinnen wir“, sagt Merkel. Dann könne man auch das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.

Und noch eines betonte Merkel, noch einmal wurde sie deutlich. Politiker sollten sich in ihrem Tonfall mäßigen, mahnte die Kanzlerin – Wählerbeschimpfungen seien nicht angebracht. „Wenn auch wir anfangen, in unserer Sprache zu eskalieren, gewinnen nur die, die es noch einfacher ausdrücken“, sagte sie in Anspielung auf die AfD – und wohl auch auf die scharfe Kritik von CSU-Chef Horst Seehofer. Wenn man dabei mitmache, Fakten beiseite zu wischen, seien konstruktive Antworten nicht mehr möglich, sagte sie – Seehofers Name wurde ihr mehrfach aus dem Bundestagsplenum entgegengerufen. „Wenn wir uns an denen orientieren, die nicht an Lösung interessiert sind verlieren am Ende wir selbst an Orientierung“, sagte Merkel. Auch Oppositionspolitiker wie Dietmar Bartsch, Linke, oder Katrin Göring-Eckart, Grüne, hatten die Uneinigkeit und den Tonfall innerhalb der Bundesregierung und der großen Koalition angeprangert. Die Regierung habe die Verunsicherung der Menschen noch verstärkt, hatte Bartsch gesagt – Deutschland werde von Angst regiert. Symboldebatten um Hamsterkäufe und Kleidungsverbote trage nicht dazu bei, dass sich jemand sicherer fühle.

Wirtschaftliche und soziale Lage in Deutschland sei gut wie nie – Man dürfe Druck für vermeintlich einfache Antworten und Scheinlösungen nicht nachgeben

Die Sorgen der Bürger – ob begründet oder nicht – müsse man aber durchaus ernst nehmen, betonte Merkel in ihrer Rede. Die Menschen dürften verlangen, dass man alles tun werde, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Die Frage müsse aber sein, wie man den Menschen Halt und Orientierung gebe, und dem Druck für vermeintlich einfache Antworten und Scheinlösungen gleichzeitig nicht nachgebe. Immerhin, die wirtschaftliche und soziale Lage in Deutschland sei gut, sagte die Kanzlerin, die Finanzen seien geordnet – man könne den Menschen eine gute Perspektive geben. Es gebe einen Zuwachs an Arbeitsplätzen, die Arbeitslosigkeit sei gering, die Reallöhne seien gestiegen, die Renten ebenfalls. Das spiegele auch der für 2017 aufgestellte Haushaltsplan wieder – ein weiterer ohne Neuverschuldung. Auf den Vorwurf aus der Opposition, dass die öffentlichen Investitionen faktisch gesunken seien, dass die soziale Spaltung in der Gesellschaft größer werde, ging Merkel dabei nicht ein. Auch nicht auf die Forderung, dass sich die Lebensqualität auch bei den Menschen vor Ort steigen müsse, jenen, die sich abgehängt fühlten, wie Linke-Abgeordneter Bartsch äußerte.

Erst am Ende wurde Merkel noch einmal deutlich, wich erneut von ihrem sonst sachlichen, ruhigen Ton ab. Ja, es gebe viel zu tun. Veränderung, betonte sie, sei aber nichts schlechtes. „Deutschland hat sich seit der Gründung der Bundesrepublik immer wieder verändert. Gerade wir, die die deutsche Einheit erlebt haben, haben gesehen, dass Veränderung zum Besseren möglich ist.“ Was sich nicht verändern werde, sagt sie, seien Werte wie Demokratie, Rechtsstaat und eine Ordnung, die mit wirtschaftlicher Stärke die Schwäche in diesem Land auffange. „Deutschland wird Deutschland blieben, mit allem, was uns daran lieb und teuer ist“, sagte Merkel am Ende.