Gratulation vom früheren Parteichef Sigmar Gabriel (Mitte): Generalsekretär Sascha Binder und und der Jubilar, Landesvorsitzender Andreas Stoch Foto: Benjamin Stollenberg

Direkt nach dem Landesparteitag lässt sich der 50 Jahre alt gewordene SPD-Landeschef Andreas Stoch von politischen Weggefährten feiern. Da kommt sogar ein alter Bekannter zum Gratulieren: der frühere Parteivorsitzende Sigmar Gabriel.

Heidenheim - Sigmar Gabriel hat sich einst als Parteivorsitzender nicht immer nur beliebt gemacht – weshalb sich die damaligen Spitzengenossen seiner Person in der chaotischen Zeit nach der Bundestagswahl 2017 auch eher kühl entledigt haben. Doch dass er eine treue Seele sein kann, der bei Verabschiedungen und Jubiläen selbst den Weg in die Provinz auf sich nimmt, das weiß man. Nun also steht er direkt nach dem SPD-Landesparteitag im Heidenheimer Congress-Centrum, um den Landesvorsitzenden Andreas Stoch hochleben zu lassen, der zwei Tage zuvor 50 Jahre alt geworden ist.

Viele bekannte Weggefährten sind gekommen – auch die Landtagsfraktionschefs von CDU, Grünen und FDP. Sie hören, dass es Gabriel – der Mitte September seinen 60. Geburtstag gefeiert hat – zunächst mit launigen Bemerkungen versucht, die dennoch eine Bitternis erkennen lassen. Mit 50 Jahren sei er (im November 2009) SPD-Vorsitzender geworden, erinnert er, an den Jubilar gerichtet. „Dir bleibt dieses Schicksal vorerst erspart.“ Obwohl, bei der SPD? „You’ll never know“, fügt Gabriel süffisant mit Blick auf die raschen Führungswechsel an. Zudem sei der Landesvorsitz schließlich erst der Anfang von Stochs politischer Karriere – „da bin ich ganz sicher“.

Abschied aus der aktiven Politik angekündigt

Neulich erst hat der Niedersachse angekündigt, sein Bundestagsmandat zum 1. November abzugeben. In einem Schreiben an „Weggefährten“ zeigte er sich enttäuscht vom internen Umgang: Er habe nach seinem Ausscheiden aus dem Amt als Außenminister „zunehmend den Eindruck gewonnen (…), dass die SPD auf Bundesebene meiner Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht mehr bedarf. Und wenn man nicht mehr recht gebraucht wird, dann soll man besser gehen“. Zuvor ist er den Spitzengenossen immer wieder durch Kommentare von der Seitenlinie unangenehm aufgefallen. Somit sinniert Gabriel nun in Heidenheim, dass die Politik zu zweierlei befähige: Sie könne das Beste und das Schlechte im Menschen mobilisieren – also auch „Neid und Missgunst“. Sozialdemokratie sei aber nicht für sich selbst da, sondern dafür, dass es Deutschland und seinen Nachbarn in zehn Jahren genauso gut gehe wie heute.

Dem Staat Mitverantwortung für Haller Bluttat zugeschoben

Zwei Lehraufträge an den Universitäten Bonn und Harvard hat Gabriel angenommen, zudem das Ehrenamt als Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Hinzu kommen blendend dotierte Autorenjobs und Rednerauftritte. Insofern befindet sich der Parlamentarier nun auf Abschiedstour, die er auch mit Nachdenklichkeit absolviert. Die SPD neige zum Rückblick, urteilt er. „Der Stolz auf die Tradition darf aber nicht dazu führen, dass man Gegenwart und Zukunft als Zumutung empfindet.“ Nach vorne gelte es den Blick zu richten in einer „G2-Welt, die von China und Amerika entschieden wird“. Aufpassen müsse man, „dass unsere Kinder und Enkel noch souverän sind“.

In den Angriffsmodus schaltet Gabriel nur, als er auf die Bluttaten von Halle zu sprechen kommt. „Was wäre hier los, wenn das ein linker Terrorist gewesen wäre?“ Dann wären schon Hunderte Wohnungen und Organisationen durchsucht worden. „Wann entwaffnen wir diese Reichsbürger und legen die ideologischen Schulungszentren still, wo sich diese Brandstifter treffen?“, fragt er und macht somit zwischen den Zeilen den Staat mitverantwortlich für den Rechtsterror. Man müsse „den Sumpf endlich trockenlegen“.

Da ist er wieder ganz der alte Sigmar Gabriel – auch als Geburtstagsredner stets für eine Überraschung gut.