Andrea Nahles hat mit ihrer Äußerung über Hilfen für die Türkei eine Diskussion in Gang gebracht. Foto: dpa

Die SPD-Chefin Andrea Nahles will die Türkei nicht fallen lassen – und erntet dafür heftige Kritik. Aus der eigenen Partei kommt hingegen Zuspruch. Allerdings: Im Augenblick sei das kein Thema, heißt es offiziell seitens der Bundesregierung.

Berlin - SPD-Chefin Andrea Nahles hat mit ihrem Hinweis, der Türkei gegebenenfalls in wirtschaftlichen Turbulenzen helfen zu wollen, Kritik bei der Opposition und Kopfschütteln beim Koalitionspartner ausgelöst. Die Bundesregierung betont, die Frage stelle sich derzeit nicht. Ausgerechnet Ex-Außenminister Sigmar Gabriel, mit dem Nahles in herzlicher Feindschaft verbunden ist, stand ihr diesmal bei und warnte vor einem taumelnden Nato-Partner am Bosporus. Sollte sich die Krise dort verschärfen und die Türkei isoliert bleiben, könnten Nationalisten versucht sein, ein eigenes Atomwaffenprogramm aufzulegen. Deshalb müsse man „im eigenen Interesse alles tun, um die Türkei im Westen zu halten“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

In der SPD ist angesichts all der Aufregung zu hören, dass Nahles doch noch gar keine konkreten Versprechen abgegebenen habe, sondern lediglich darauf verwiesen habe, irgendwann einmal auf eine eventuelle Notlage der Türkei reagieren zu müssen. „Es kann die Situation entstehen, in der Deutschland der Türkei helfen muss – unabhängig von den politischen Auseinandersetzungen mit Präsident Erdogan“, sagte sie. Aus dem Umfeld der Partei- und Fraktionschefin hieß es dazu, das große Interesse Deutschlands an einer stabilen Türkei, das auch seinen Niederschlag im Koalitionsvertrag gefunden habe, bedeute natürlich nicht, dass man zu Hilfen bereit sei, „ohne auf den Gesamtzusammenhang zu schauen“. Natürlich werde man auch weiterhin die eigene „Erwartungshaltung klar formulieren und darauf achten, dass diese auch erfüllt“ werde, hieß es.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, sprang Nahles bei. „Wir können es uns nicht leisten, dass so ein politisch und wirtschaftlich wichtiges Land wie die Türkei abstürzt“, sagte er unserer Zeitung. Alle Hilfen müssten allerdings „daran geknüpft werden, dass sich die Türkei auch politisch bewegt und sich die rechtsstaatliche Situation verbessere.“ Dies geschehe bereits in Ansätzen, wie die Ausreiseerlaubnis für die lange Zeit inhaftierte Journalistin Mesale Tolu und die Freilassung anderer Gefangener belegen würden, so Schmid.

Nahles erteile einen „Blankoscheck“, hieß es hingegen aufseiten der Grünen, die FDP forderte die Offenlegung eventueller Hilfspläne. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) verwies darauf, dass Finanzhilfen „nicht die Aufgabe Deutschlands“ seien, sondern, wenn überhaupt, „die Aufgabe des Währungsfonds“.

Die Bundesregierung war bemüht, die Diskussion einzudämmen. Finanzielle Hilfen für die Türkei seien derzeit kein Thema, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Seibert merkte allerdings vorsichtshalber an, dass er da keine „Ewigkeitsversprechen“ geben könne. Zugleich bekräftigte Seibert das deutsche Interesse an einer „stabilen und prosperierenden“ Türkei. Ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte nahezu deckungsgleich, man habe „großes Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei“. Man müsse jetzt „in Gesprächen klären, wie man dazu beitragen kann“. Deshalb würden sich auch die Wirtschafts- und Finanzminister beider Länder eine Woche vor dem Besuch Erdogans bei der Kanzlerin treffen, um die umstrittene Erdogan-Visite Ende September vorzubereiten. Bereits am vergangenen Donnerstag habe Scholz außerdem mit seinem Amtskollegen, Erdogans Schwiegersohn Berat Albayrak, in der Angelegenheit telefoniert.

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, es sei „zu früh“, um konkrete Instrumente zu nennen. Dies sei auch noch nicht Gegenstand der Gespräche. Es gebe aber „eine breite Palette“ von Möglichkeiten, um Außenwirtschaft und Handel zu fördern. Zu möglichen Finanzhilfen durch den Währungsfonds für die Türkei sagte Regierungssprecher Seibert, es sei Sache eines jeden Staates, ob er einen Antrag auf Hilfen stelle. Die Führung in Ankara schließt einen Hilfsantrag beim IWF bislang aus.