Andrea Nahles und Volker Kauder üben bei der Buchvorstellung große Koalition. Foto: dpa

Die beiden Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles (SPD) und Volker Kauder (CDU) müssten eine komplizierte Koalition zusammenhalten – und plaudern darüber, wie.

Berlin - Am Rosenmontag wollen sich Andrea Nahles und ihre Tochter ganz dem Karneval widmen. Also müssen die Koalitionsverhandlungen, die die Anwesenheit der SPD-Fraktionsvorsitzenden erfordern, bis dahin beendet sein. Unionsfraktionschef Volker Kauder wiederum will in Rottweil sein, bei der schwäbisch-alemannischen Fasnacht, mit fertigem Koalitionsvertrag in der Tasche – sonst würden die Narren die anhaltende Regierungslosigkeit zu ihrem Topthema machen und den schlechten Eindruck einer unfähigen Politikerkaste bei den Bürgern noch vertiefen. Also werben sie an diesem Mittwoch gemeinsam für die ungeliebte Groko – Kauder gar mit einem modischen Versprechen oder Verbrechen, je nach Sicht: „Wenn es zu der großen Koalition kommt, trete ich in Berlin mit meiner roten Lederjacke auf.“

So ein gemeinsamer Auftritt, wie es ihn anlässlich der Vorstellung eines Buches über den früheren SPD-Fraktionschef Peter Struck gibt, ist eine heikle Sache in diesen Zeiten. Die Sozialdemokraten haben sich gerade erst mit Ach und Krach zu Koalitionsverhandlungen durchgerungen, ein Mitgliederentscheid könnte die Bündnispläne noch durchkreuzen. Wie also die Balance wahren zwischen Partnerschaft und Eigenständigkeit, die ein Teil der SPD in der Großkoalition bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt sieht? Kauder hat sich deshalb zumindest schon einmal verbale Zurückhaltung verordnet: „Weil ich den Erfolg will, sage ich seit geraumer Zeit kein schlechtes Wort über die Sozis.“ Und er hat sich aus den beiden Vorgänger-Grokos, die er mitgemacht hat, auch gemerkt, dass er an dieser Stelle nicht „Sozen“ sagen darf.

Die beiden Fraktionschefs flüchten nicht in die Vergangenheit

Andrea Nahles und Volker Kauder hätten es sich leicht machen können an diesem Vormittag bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und allein über den zu früh gestorbenen Struck reden können, den sie ihr „Vorbild“ als Fraktionschef und er einen „Freund“ nennt. Sie flüchten aus Verlegenheit aber nicht in die Vergangenheit, sondern leiten aus ihr Dinge für eine gemeinsame Zukunft ab. Zum Beispiel wollen sie wie einst Struck und Kauder keinesfalls an Kabinettstreffen teilnehmen, um sich als Parlamentarier nicht vereinnahmen zu lassen – wiewohl sie als Koalitionsfraktionen die Regierung tragen müssten. Und wie damals wollen nicht sie bei Bundesministern vorstellig werden, vielmehr sollen Kabinettsmitglieder zu den Fraktionschefs kommen, um für Zustimmung zu Gesetzen zu werben. Ob die Gemeinsamkeit allerdings so weit geht, dass Talkshowauftritte wie bei Kauder und Struck nur gemeinsam absolviert werden, bleibt während dieser Plauderstunde offen.

Als Arbeitsministerin kann Nahles, wie Kauder meint, auf „eine wirklich ausgezeichnete Arbeitsbeziehung“ mit dem Unionsmann zurückblicken. Ihm habe immer „imponiert“, dass sie die Gegenseite mit ihren inhaltlich durchaus strittigen Gesetzesvorlagen „nicht überrascht“ habe. Ein „gute Basis, auf der wir aufbauen können“ sieht Nahles zwischen den beiden. Und dann ist da neben der Begeisterung für Frohsinn im Februar auch noch der ausgeprägte christliche Glaube, der sie eint. Sie, so erzählt er, hat ihm schon einmal ein Kreuz aus dem Kloster Maria Laach nahe ihrer rheinland-pfälzischen Heimat geschenkt, das er in Ehren hält.

Beiden wissen, dass es kein zu offensichtliches Weiter-so geben darf

So viel Eintracht, das verlangen diese vorkoalitionäre Zeit und die sozialdemokratische Angst vor dem gänzlichen Persönlichkeitsverlust, muss zumindest ein wenig Zwietracht folgen. Als Kauder also wieder einmal eine schnelle Regierungsbildung anmahnt, kontert Nahles: „Das hängt ja an euch – ihr wisst ja, was wir wollen.“ Der CDU-Mann, die schwierigen Schwesterparteifreunde von der CSU im Blick, hält dagegen: „Dort, wo wir es können, machen wir es – dort, wo wir es nicht können, müsst ihr auch mal Ruhe geben.“

Beiden ist klar, dass es kein zu offensichtliches Weiter-so geben darf, um die große Koalition nicht noch unbeliebter zu machen. Beide meinen zwar, dass mit der AfD im Bundestag und der kleineren Koalition ohnehin schon alles anders ist, wollen aber trotzdem Dinge verändern. „Bei aller Verlässlichkeit“ zwischen Regierungspartnern soll die kontroverse Debatte im Parlament laut Nahles „wiederbelebt“ werden. Ein wenig haben sie dazu schon vereinbart, doch Kauder schlägt gleich noch vor, große Bundestagsdebatten „abends parallel zu den Talkshows“ stattfinden zu lassen: „Frau Nahles will, dass sich da etwas bewegt – und ich bewege mich mit.“ Die SPD-Frau nickt und signalisiert, dass es so etwas werden könnte: „Die Idee finde ich gut.“