Im Lauf der Verhandlung vor dem Amtsgericht Waiblingen entschuldigt sich der Angeklagte halbherzig bei seinem Opfer. Foto: Sigerist

Ein junger Mann bedroht grundlos einen S-Bahn-Nutzer mit einer Waffe. Er bekommt eine Bewährungsstrafe.

Waiblingen - Der Besitz einer Waffe verleiht Macht – so denken manche jungen Männer. Auch der 23-jährige Karim W. (alle Namen geändert) erlag diesem Glauben und besorgte sich in Stuttgart eine CO2-Pistole. Dumm nur, dass er keinen Waffenschein hatte, die Druckgaspistole an einem Tag im September vergangenen Jahres mit sich führte – und sogar einsetzte. Zum Opfer wurde völlig zufällig Peter M., der gegen 22.30 Uhr mit seiner Lebensgefährtin aus Stuttgart kam und in Rommelshausen aus der Bahn steigen wollte. Karim W. und seine vier Freunde waren in der Stimmung „Hoppla, jetzt kommen wir“. Die Gruppe drängte in die Bahn, ohne wie üblich erst die Aussteiger heraus zu lassen.

Der Angeklagte hält die Waffe in 30 Zentimeter Entfernung vor das Gesicht von Peter M.

Dabei berührten sich wohl die Schultern von Peter M. und einem der angeheiterten Freunde. Peter M. sagte ganz harmlos: „Könnt ihr nicht warten, bis wir draußen sind?“. Da zog Karim W. seine im Gürtelbund steckende Pistole und hielt sie in etwa 30 Zentimeter Entfernung vor das Gesicht von Peter M.

Karim W. steckte dann die Waffe wieder ein, die S-Bahn fuhr ab, aber im Leben von Peter M. war nichts mehr wie zuvor. „Meine Freundin und ich setzten uns im Schock erst mal auf den Bahnsteig und versuchten, die Polizei anzurufen – „ wir konnten beide kaum wählen“, sagte er in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Waiblingen. In den folgenden Tagen sei er nicht in der Lage gewesen, arbeiten zu gehen, litt monatelang unter Konzentrationsstörungen und Schlaflosigkeit. Noch heute belasten ihn Gewaltszenen im Fernsehen, und er fährt abends nicht mehr mit der Bahn.

Dass die Waffe nicht geladen ist, kann das Opfer nicht erkennen

„Ich habe gedacht, jetzt ist es aus“, sagte der 49-Jährige vor Gericht. Dass die Waffe nicht geladen war, konnte er nicht erkennen. Karim W. wurde aufgrund von Video-Aufnahmen in der S-Bahn ermittelt. Er und einer seiner Kumpels, der als Zeuge aussagte, versuchten, die Situation herunter zu spielen: Karim W. habe die Waffe in Höhe der Beine des Opfers gehalten, keinesfalls auf den Kopf gezielt.

Im Lauf der Verhandlung entschuldigte sich der Angeklagte halbherzig bei seinem Opfer, duzte es aber dabei. „Ich glaube, ihnen fehlt jegliche Erziehung“, sagte Amtsrichterin Dotzauer. Karim W. faselte darauf hin etwas von „Ehre“. „Wir haben die Ehre mit der Ur-Oma im Kaiserreich gelassen, wir sprechen heute lieber von sozialer Kompetenz“, sagte die Richterin. An der und anderen Entwicklungsschritten fehlt es dem jungen Mann gehörig. Er besucht immer noch eine Schulungsmaßnahme des Arbeitsamtes, bezieht von dort Geld und hat keinen Ausbildungsplatz. Dafür aber einige Eintragungen im Bundeszentralregister. Auch der 20-jährige Kumpel macht gerade erst die Mittlere Reife. Dessen Aussagen legten nahe, dass er sich mit dem Angeklagten abgesprochen haben muss. Richterin Dotzauer ermahnte ihn am Ende, dass er knapp an einer Anklage wegen Falschaussage vorbei geschrammt sei.

Der Angeklagte wird zu sechseinhalb Monaten Haft verurteilt – die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt

Ob Karim W. klar gewesen ist, was er mit seiner Tat anrichtete, war die Frage. Schließlich nahm die Amtsrichterin den Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung noch zu den Anklagepunkten unerlaubtes Führen einer Waffe und Bedrohung hinzu. Karim W. wurde – wie von der Staatsanwältin gefordert – zu sechseinhalb Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, für zwei Jahre wird ihm ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Er muss 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und die Kosten des Anwalts des Opfers sowie die Gerichtskosten tragen.

Beim Verlassen des Gerichts grinste Karim W. seinen Kumpel an: „Ich hab’ gedacht, es kommt schlimmer“, sagte er.