Rauchentwöhnung, Abnehmen, Sporthypnose und Rückführungen durch Trance: der angeklagte Hypnotiseur bietet viele Formen an . Foto: Picture Alliance

Zum zweiten Mal steht ein Laientherapeut wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht. Am Ende entgeht der bereits verurteilte 42-Jährige einer Gefängnisstrafe durch eine Verständigung – und durch eine juristische Spitzfindigkeit.

Ludwigsburg - „Schätzle“ soll er seine Kundin genannt haben, während er sie an Oberschenkeln und Armen gestreichelt hat. Schließlich fasste er ihr ans Gesäß und ans Geschlechtsteil und versuchte später noch, sie zu küssen. Er, ein 42-jähriger Hypnotiseur aus Ludwigsburg, sollte sie eigentlich therapieren, damit sie mit dem Rauchen aufhört und Gewicht verliert. Am Ende der Geschichte steht ein sexueller Missbrauch und eine traumatisierte junge Frau. „Sie war geistig voll da, hatte aber keine Kontrolle über ihren Körper. Sie war ihm völlig ausgeliefert“, berichtete jener Polizist vor dem Ludwigsburger Amtsgericht, der im Juni 2016 die Anzeige des 22-jährigen Opfers aufgenommen hatte.

Eine Aussage vor Gericht blieb der Frau in diesem in mehrerer Hinsicht bemerkenswerten Prozess erspart, weil sich ihre Anwältin mit dem Verteidiger des Hypnotiseurs auf eine Verständigung einigte. Zuvor mussten jedoch alle Beteiligten mehrmals die Strafprozessordnung nachschlagen, denn der Fall bot juristische Spitzfindigkeiten: Zum einen, weil der Mann, der seit zehn Jahren eine Hypnosepraxis in Eglosheim betreibt, schon einmal einschlägig in Erscheinung getreten ist. Im März 2016 verurteilte ihn das Amtsgericht Ludwigsburg wegen sexuellen Missbrauchs einer 25-Jährigen, die sich ebenfalls zuvor von ihm hypnotisieren lassen hatte, zu einer Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren und zu einer Zahlung von 5000 Euro Schmerzensgeld.

Verurteilt und dennoch nicht vorbestraft

Weil dann aber sowohl sein Verteidiger als auch die Gegenseite in Berufunggingen, den Antrag dann aber wieder zurückzogen, wurde das Urteil erst nach seiner nächsten Tat rechtskräftig. Das Gericht musste den Mann am Mittwoch wie jemanden behandeln, der sich bisher hat nichts anderes zu schulden kommen lassen.

Dementsprechend stritt der 42-Jährige zu Beginn auch alles ab: Die Vorwürfe seien „vollkommener Blödsinn“, er habe bei Hypnosen eine standardisierte Prozedur, zu der auch Berührungen an Armen und Beinen zählten, um für „Entspannung und Sicherheit“ zu sorgen. Aber an Gesäß oder Geschlechtsteil habe er sie nicht berührt.

Ein Gewerbeverbot bekam der Mann damals nicht

Der 42-jährige ist ursprünglich gelernter Koch und hat sich nach eigenen Angaben in verschiedenen Seminaren zum Hypnotiseur weitergebildet und bietet nun auch selbst Seminare dafür an. Eine spezifisch vorgeschriebene Ausbildung gebe es dafür nicht, Abschlüsse seien „nichts wert, nur ein Stück Papier“. Bis vor zwei Jahren sei seine Praxis gut gelaufen, bis dann „dieser Fall“ publik wurde, seitdem habe er zu kämpfen.

Ein Gewerbeverbot hat der Hypnotiseur damals nicht bekommen – für den Staatsanwalt in der aktuellen Verhandlung war das ein Anlass, „über ein einjähriges Berufsverbot nachzudenken“. „Ich habe Angst, dass wir bald wieder eine traumatisierte Frau hier sitzen haben“, sagte der Staatsanwalt. Die erste Verurteilung habe offenbar keinen Effekt auf den Angeklagten gehabt. Er ließ aber durchblicken, dass er im Falle eines Geständnisses bereit sei, lediglich auf eine Bewährungsstrafe zu plädieren – was in diesem Fall absurd anmutet, denn eine Haftstrafe wäre in Anbetracht der Tatsache, dass zum Tatzeitpunkt die Bewährungsstrafe des vorherigen Urteils noch nicht rechtskräftig war, ohnehin schwer durchzusetzen gewesen.

Nun steht er zweifach unter Bewährung

Der Angeklagte legte darauf über seinen Anwalt ein umfassendes Geständis ab. Der Staatsanwalt plädierte auf eine siebenmonatige Bewährungsstrafe sowie 30 Stunden Sexualtherapie für den Hypnotiseur. Der Verteidiger schloss sich dem an, das Gericht folgte im Urteil den Plädoyers. Zudem muss der Mann 3000 Euro Schmerzensgeld an die Frau bezahlen.

„Dieses Geständnis heute war richtig was wert“, sagte die Richterin. Die Anwältin des Opfers kommentierte: „Da haben Sie gerade noch die Kurve gekriegt.“ Und der Staatsanwalt mahnte noch einmal an: Er stehe nun zweifach unter Bewährung. Wenn er sich in der Bewährungszeit noch etwas zu schulden kommen lasse, stürze alles „wie ein Kartenhaus“ zusammen. „Dann sitzen Sie ganz lange im Gefängnis.“ Und um ein gerichtlich angeordnetes Berufsverbot käme er dann auch nicht mehr herum: „Damit wäre Ihre wirtschaftliche Grundlage vollständig zerstört.“