Deutscher, Schweizer, Amerikaner: Albert Einstein (1879-1955) im Jahr 1933 nach seiner Übersiedlung in die USA. In diesem Jahr 1933 wurde er Mitglied des Institute for Advanced Study, einem kurz zuvor in der Nähe der Princeton University gegründeten privaten Forschungsinstitut. Foto: Getty Images

Kaum jemand verstand sie als sie vor 100 Jahren veröffentlicht wurde und doch machte sie Albert Einstein zum Star: die allgemeine Relativitätstheorie. Im Jubiläumsjahr feiert sie einen Triumph: den direkten Nachweis der von Einstein vorhergesagten Gravitationswellen.

Stuttgart - Wer heute sein Navi einschaltet, findet auch mit Hilfe von Albert Einstein (1879-1955)zum Ziel. Erst die Allgemeine Relativitätstheorie ermöglicht die gewünschte Genauigkeit der Satellitennavigation. Diese praktische Anwendung konnte Einstein nicht vorhersehen, als seine umwälzende Theorie vor 100 Jahren, am 11. Mai 1916, im Fachblatt „Annalen der Physik“ veröffentlicht wurde. Die Wirkung seiner Arbeit war jedoch sehr viel tiefgreifender: Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie revolutionierte das Menschheitsgenie das Weltbild der Physik – auch wenn das nicht sofort klar war.

Die große Welle

Immer wieder haben sich Einsteins Vorhersagen in der Realität bestätigt. Im Jubiläumsjahr krönt nun der erste direkte Nachweis sogenannter Gravitationswellen die Allgemeine Relativitätstheorie. Gravitationswellen waren bis zu Anfang diesen Jahres das letzte noch unbewiesene Element der Einsteinschen Relativitätstheorie.

Die Wellen werden der Theorie zufolge von großen Massen erzeugt, wenn diese sich bewegen, und verzerren den Raum selbst. Das Ligo-Observatorium (ein spezielles Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium, das in den USA für den Nachweis von Gravitationswellen gebaut worden ist. Das Ligo-Konsortium betreibt zwei nahezu identischen Detektoren in Hanford, US-Bundesstaat Washington, und 3000 Kilometer davon entfernt in Livingston, US-Bundesstaat Louisiana) konnte erstmals die Gravitationswellen von zwei Schwarzen Löchern auffangen, die in rund 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung von der Erde verschmolzen waren. Sie entstehen immer dann im Universum, wenn sich große Massen beschleunigt bewegen. Also etwa, wenn die Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne kreist. Allerdings sind diese Wellen so schwach, dass sie nicht zu messen sind.

Ganz anders sieht es bei Sterne-Explosionen – Supernovas – oder zusammenstoßenden Neutronensternen und Schwarzen Löchern aus. Schwarze Löcher sind eines der größten Geheimnisse der Physik – und bisher nur theoretische Konstrukte. Sollten sich die Ankündigungen aus den USA bewahrheiten, würden diese Staubsauger des Weltalls erstmals als real nachgewiesen werden.

Autofahren und Gravitationswellen

Gravitationswellen gehören zu den spektakulärsten Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Jeder beschleunigte Körper sendet demnach Gravitationswellen aus – also auch ein Autofahrer, der an einer Ampel startet. Die Wellen sind umso stärker, je mehr Masse der Körper hat. Jedoch sind sie in der Regel so winzig, dass Einstein selbst nicht daran glaubte, dass man sie jemals messen könnte. Seit über 50 Jahren hatten Physiker dafür einen direkten Nachweis gesucht.

„Neue Ära in der Astronomie“

„Das ist mit Sicherheit der Beginn einer neuen Ära in der Astronomie“, urteilt der Direktor am Albert-Einstein-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Potsdam und Hannover, Bruce Allen, bei der Präsentation der Entdeckung im Februar. An Allens Institut, das an der internationalen Ligo-Kooperation beteiligt ist, war das Signal zuerst bemerkt worden. Die Beobachtung bestätigte nicht nur die Existenz von Gravitationswellen, sondern auch von verschmelzenden Schwarzen Löchern.

Die Allgemeine Relativitätstheorie hat sich damit selbst dort als erfolgreich erwiesen, wo ihr Entdecker es nicht für möglich hielt. „Einstein hat nicht geglaubt, dass man Gravitationswellen jemals nachweisen können wird, und er hat nicht an Schwarze Löcher geglaubt“, betont Allen. „Ich denke, er würde sich freuen, dass er in beiden Punkten unrecht hatte.“

Einsteins Relativitätstheorien

Allgemeine und Spezielle Relativitätstheorie

Den Kern seiner Theorie hatte Einstein bereits ein paar Monate vor der Veröffentlichung in den „Annalen“ an der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin vorgestellt. „Es war ein Jahrtausendereignis der Wissenschaft, das damals in Berlin stattgefunden hat“, erklärt Hermann Nicolai, ebenfalls Direktor am Albert-Einstein-Institut. „Aber es ist erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte klar geworden, was das für eine Leistung war.“

Schon zehn Jahre zuvor, im Jahr 1905, hatte Einstein seine Spezielle Relativitätstheorie veröffentlicht. Sie besagt, dass sich Raum und Zeit nicht getrennt voneinander messen lassen. Einstein erkannte, dass Gleichzeitigkeit nur eine relative Eigenschaft ist, die von der Wahl des Beobachters abhängt: Zwei räumlich getrennte Ereignisse, die dem einen als gleichzeitig erscheinen, können für einen anderen nacheinander ablaufen. Nur am selben Ort ist die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse eindeutig.

Raum und Zeit sind relativ

Die Spezielle Relativitätstheorie führt über die Vereinigung von Raum und Zeit zu einer vierdimensionalen Raumzeit. Die Zeit verlor damit ihren Status als absolute Größe. „1905 hat er herausgefunden, dass Raum und Zeit miteinander zusammenhängen“, erklärt Metin Tolan, Professor für Experimentelle Physik an der Technischen Universität Dortmund. „Die Zeit ist nicht irgendetwas Absolutes und für alle gleich. Wenn man sich schnell bewegt, vergeht die Zeit objektiv langsamer. Man altert auch langsamer im Vergleich zu jemanden, der sich nicht so schnell bewegt.“

Ein Beispiel: Der Flug nach Alpha Centauri, dem uns mit vier Lichtjahren am nächsten gelegenen Stern. „Das Licht braucht von dort vier Jahre, um zur Erde zu gelangen“, erläutert Tolan. „Wenn die Lichtgeschwindigkeit von knapp 300 000 Kilometer pro Sekunde die größte Geschwindigkeit ist, die im Universum erreichbar ist, dann wäre man offenbar mindestens vier Jahre unterwegs. Dem ist aber nicht so. Wenn man sich nämlich mit 99,9999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit bewegen könnte, würden auf dieser Reise nur drei Tage vergehen. Tatsächlich würde die Zeit also viel langsamer verlaufen.“

Das Geheimnis des Universums und die Schwerkraft

In seine Allgemeine Relativitätstheorie bezog Einstein die Schwerkraft (Gravitation) mit ein. Die Theorie besagt, dass die Raumzeit durch Masse verzerrt wird – ähnlich wie etwa eine Bowling-Kugel ein Trampolin einbeult. Dieser Effekt ist umso stärker, je größer die Masse ist. „Das war ein Paradigmenwechsel“, erläutert Nicolai. „Die Aussage ist, dass die Schwerkraft eine Folge der verkrümmten Geometrie von Raum und Zeit ist.“ So wie ein Tennisball auf einem anderen Weg über ein Trampolin rollt, wenn es durch die Bowlingkugel eingedellt wird.

Der Theorie zufolge wird durch die Verkrümmung der Raumzeit auch das Licht messbar abgelenkt, wenn sein Weg an einer großen Masse wie der Sonne vorbeiführt. Diese Vorhersage machte Einstein vier Jahre später auf einen Schlag weltberühmt.

Von der Theorie zum experimentellen Nachweis

Der Brite Sir Arthur Eddington hatte 1919 zwei von der Königlichen Astronomischen Gesellschaft RAS ausgerüstete Expeditionen zur Beobachtung einer Sonnenfinsternis entsandt. Während der Sonnenfinsternis vermaßen die Expeditionen die Position von Sternen neben der verdunkelten Sonne. Tatsächlich wichen die gemessenen Positionen während der Finsternis entsprechend der Vorhersage durch Einsteins Theorie von den vorher bestimmten Werten ab.

„Das war ein spektakulärer Erfolg, der Einstein auf die Titelseiten der Weltpresse brachte“, sagt Nicolai. „Die Sterne sind nicht, wo sie zu stehen scheinen“, schrieb etwa die „New York Times“ damals. „Aber niemand muss sich sorgen.“

Diese erste experimentelle Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie sandte Schockwellen durch das wissenschaftliche Establishment. Heute benutzen Astronomen diesen Effekt als natürliches Teleskop. Denn große Massen im All wie eine Galaxie können das Licht dahinterliegender, weit entfernter Objekte bündeln und wie eine Lupe verstärken. Die Forscher nennen das eine Gravitationslinse.

Vom Urknall zur Quantentheorie

Schwarze Löcher, Urknall, die stetige Ausdehnung des Universums – das alles lässt sich mit der Allgemeinen Relativitätstheorie erklären. „Die ganze moderne Kosmologie fußt auf den Einstein-Gleichungen“, betont Nicolai. Die Allgemeine Relativitätstheorie hat sich nach Nicolais Worten zu einem Grundpfeiler der modernen Physik entwickelt: „Es gibt heute eigentlich nur zwei grundlegende physikalische Theorien: die Quantentheorie und die Allgemeine Relativitätstheorie.“