Heimleiter Jürgen Baur begutachtet den Rohbau am Löwentor Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Eine psychische Erkrankung verändert das Leben von Patienten grundlegend. Arbeiten, selbstständiges Wohnen und Leben, das alles wird plötzlich unmöglich. Das Rudolf-Sophien-Stift baut für solche Patienten ein Haus am Löwentor, die Aktion Weihnachten unterstützt das Wohnprojekt.

Stuttgart - Für Psychiatriepatienten ist Angst ein ständiger Begleiter. In wichtigen familiären Dingen zu versagen, seinen Kindern keinen Schutz bieten zu können, bei allem nur Fehler zu machen. Diese Angst lähmt. Irgendwann fällt dem Chef auf, dass die Bildschirmschoner-Fische Stunde um Stunde auf- und abwippen und die Arbeit unerledigt ist. Oder es macht sich Besessenheit bemerkbar, eine Unruhe, die einen Menschen zur Flucht ohne Ziel treibt.

Beides deutet auf Schizophrenie hin. 40 Prozent aller Menschen mit psychischer Erkrankung im Land leiden darunter, die Ursachen sind selten eindeutig, die Folgen jedoch gravierend: „Der Job geht verloren, die Familie, die Wohnung“, sagt der Heimleiter Jürgen Baur.

In diesem Fall brauchen die Patienten schnell sowohl eine Unterkunft als auch eine fachkundige Betreuung, „die wenigsten aber brauchen dauerhaft stationäre Hilfe“, sagt Jürgen Armbruster, der Geschäftsführer des Rudolf-Sophien-Stifts. Die gemeinnützige Rehabilitationseinrichtung bietet aufeinander abgestimmte Angebote der klinischen Behandlung und der medizinischen und beruflichen Eingliederung. Auch Wohn- und Arbeitsangebote gehören zum Geschäftsfeld, doch davon gibt es wesentlich weniger, als in Stuttgart gebraucht werden. Darüber hat die Sozialverwaltung zuletzt im Mai dieses Jahres die Stadträte informiert.

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Am Löwentor in Stuttgarts Norden baut das Rudolf-Sophien-Stift deshalb ein Wohnhaus, wo künftig 26 Menschen stationär, drei Personen in einer Wohngemeinschaft und sechs in Einzelwohnungen leben und betreut werden – so eng wie nötig. Auch Arbeitsmöglichkeiten werden geschaffen. „Wenn es uns gelingt, die Menschen wieder nach draußen zu vermitteln, ihnen die Rückkehr ins selbstständige Wohnen, zur Arbeit, in familiäre Strukturen zu ermöglichen, greifen die ambulanten Angebote, und manche können sogar wieder selbstverantwortlich leben“, so Armbruster.

Das Haus am Löwentor wird 5,6 Millionen Euro kosten, der Rohbau steht bereits. Da das Rudolf-Sophien-Stift ohne öffentliche Mittel auskommen muss, hilft die Aktion Weihnachten bei der Ausstattung der ambulanten Wohnplätze sowie bei der Gartengestaltung. Die Bewohner arbeiten im kommenden Sommer daran mit.

Die Nikolauspflege, deren Wohnprojekt vor zwei Jahren von den Stuttgarter Nachrichten unterstützt wurde, musste bis zu diesem November auf die Baugenehmigung warten. Rechtzeitig zum Start dieser Aktion Weihnachten teilt Pressesprecherin Stefanie Krug mit, dass das Bestandsgebäude in Stammheim „gleich zu Beginn des neuen Jahres, im Januar“ abgerissen wird. Es besteht die Hoffnung, dass die erblindeten Erwachsenen noch 2016 einziehen können.

Wesentlich schneller ging das Projekt aus dem vergangenen Advent an den Start. Die Aktion Weihnachten unterstützte den Schwäbischen Albverein dabei, inzwischen mehr als 30 Wanderführer und Ehrenamtliche für die Begleitung von Dementen zu schulen. Begonnen hatte alles mit einer kleinen Gruppe in Stuttgart, die stark gewachsen ist. Außerdem sind inzwischen in Filderstadt, Plochingen und Mühlacker weitere Wandergruppen gegründet worden, vier weitere Städte möchten im kommenden Jahr ebenfalls solche Angebote machen. Das Beispiel zeigt, wie wirksam eine Anschubfinanzierung sein kann.

Es gibt zahlreiche Förderer und Spender, die unsere Aktion Weihnachten mit großem Einsatz und Wohlwollen begleiten. Die Buchhandlung Wittwer war sogar schon im Juli aktiv: 96 WM-Bälle, jeder mit den Nationalfarben eines Teams bedruckt, das in Brasilien dabei war, ließ Wittwer zugunsten der Aktion Weihnachten versteigern. Der Auktionator, StN-Kolumnist Tom Hörner, hat dabei stolze 800 Euro erlöst.

In den kommenden Wochen berichten wir täglich über sinnvolle Vorhaben, das Schicksal einzelner Bedürftiger und natürlich aktuell über den Einsatz der zahlreichen Künstlerlinnen und Künstler. Bis dahin bearbeiten wir in unserer Redaktion noch emsig die zahlreichen Anträge und beantworten Anfragen. Am Heiligen Abend wird Kassensturz gemacht in der Hoffnung, dass die Hilfe den Bedürftigen neuen Mut macht.