Margit Gratz, die neue Hospiz-Leiterin in St. Martin. Das Haus bietet jungen trauernden Familien an einem Wochenende im Sommer Gelegenheit für den Austausch mit Betroffenen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der frühe Tod eines Ehepartners stürzt junge Familien in Sinnkrisen, oftmals auch in Existenznöte. Das Hospiz St. Martin begleitet die Trauernden und verschafft ihnen Tage zum Verschnaufen.

Stuttgart - Alles war plötzlich anders nach dem Tod von Simone K.: Die fünfjährige Tochter warf Vater Thomas K. vor, er könne nicht backen, an Heiligabend gab es niemanden mehr in der Kleinfamilie, der den 39-Jährigen beschenkte, auf die Stereotype glücklicher Familien in Prospekten reagierte Thomas K. zornig. „Nachdem man den Tumor bei meiner Frau festgestellt hatte, vor allem nach der Chemotherapie, hatten wir immer wieder Hoffnung. Wenn man im Hospiz ankommt, weiß man, dass es keine mehr gibt“, sagt Thomas K.

Das Hospiz hat dem Ehemann vieles abgenommen

Nur wenige Monate gaben die Ärzte seiner Frau zu leben, ein Jahr blieb sie ihrem Mann und dem Kind. Ein Familienzimmer wurde für die junge Familie im Hospiz St. Martin eingerichtet, in dem Eltern und Kind sich aufhalten konnten, umsorgt von pflegerischem, therapeutischem und seelsorgerlichem Personal. „Ich habe damals in allen Konstellationen gearbeitet, unsere Tochter ging weiterhin in die Kita, und hier im Haus hatte ich Zeit, mich auf das Kind, auf meine Frau zu konzentrieren“ sagt Thomas K.

Zum Ende hin konnte sich die 39-jährige Mutter nicht mehr selbst um ihre Tochter kümmern. Das Mädchen war vier Jahre alt und sauer, weil ihr die Mama nicht mehr vorlas. Irgendwann wollte sie sie nicht mehr in ihrem Zimmer besuchen. „Kinder verstehen nicht, wenn sich das Wesen ihrer Eltern verändert“, sagt Barbara Hummler-Antoni, Kunsttherapeutin und Trauerbegleiterin im Hospiz St. Martin. Ihr fiel die Aufgabe zu, der Mutter die Reaktion der Tochter zu erklären: „Kinder sehen die existenzielle Bedrohung nicht und wollen Eltern in guter Erinnerung behalten. Deshalb haben wir für das Kind Bilder gemalt und zum Beispiel diesen Spiegel gebastelt.“ Thomas K. zeigt ihn: „Meine Tochter sagt heute noch: ,Das hat Mama für mich gemacht‘.“

Hier erfahren Sie mehr über die Aktion Weihnachten

Das Hospiz St. Martin blieb auch nach dem Tod seiner Frau an der Seite von Thomas K. Für Nachbarn oder Bekannte sei das Thema nach kurzer Zeit abgeschlossen, sie verlangten schon bald wieder so etwas wie Normalität. „Ich wurde gefragt, ob ich schon jemand Neues kennengelernt hätte“, erzählt er. Dabei suchten Hinterbliebene keinen Ersatz, sondern Verständnis und Gesprächspartner, auch nach der Beerdigung. Schließlich fordere die Arbeit schnell genug Alltagsroutine, und der hinterbliebene Elternteil müsse zudem der Trauer des eigenen Kindes begegnen. Thomas K. besucht daher nach wie vor die Trauergruppe im Hospiz, auch seine Tochter kehrt gern zu ihren Lieblingsspielsachen zurück.

Fonds für bedürftige Teilnehmer

Im Sommer wird das Hospiz St. Martin speziell junge verwitwete Familien zu einem Wochenendaufenthalt im Kloster Schöntal einladen. Thomas K. wird daran teilnehmen, weil er dort eine Gruppe findet, „mit ähnlichen Problemen, wo ich Austausch, Trost und Zuspruch finde“.

„Wir betreuen Kinder und Jugendliche altersgerecht, machen Kunsttherapie, es sind verschiedene Aktionen geplant, leider muss Trauerarbeit immer noch über Spenden finanziert werden“, sagt Barbara Hummler-Antoni. Da viele jung verwitwete Familien in finanzielle Probleme gerieten, wenn einer, womöglich gerade der Hauptverdiener, wegfalle, unterstützt das Hospiz St. Martin bedürftige Teilnehmer aus einem Fonds. Die Aktion Weihnachten trägt dazu bei.