Susanna hat ihren Spaß mit Schwester Gundula Piwowarczyk. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Jeden Tag fahren 18 Krankenschwestern kreuz und quer durch Stuttgart, um kleine Patienten daheim zu pflegen. Ihr Fachwissen müssen sie mit laufenden Fortbildungen bereichern.

Stuttgart - Wenn Schwester Gundula kommt, sind Herr und Frau P. erleichtert. Er kann sich dann nebenan im Büro seiner Arbeit widmen, und sie kann sich um ihren Sohn kümmern, zum Einkaufen gehen oder einfach mal ausspannen. Dazu lässt ihnen ihre kleine Tochter Susanna normalerweise kaum Zeit.

Jetzt ist das Mädchen glücklich, strahlt Schwester Gundula an. Die Kleine lässt sich begeistert füttern und tippt sich mit ihren winzigen Fingerspitzen selbstbewusst ans Kinn. „Das heißt: Ich bin noch nicht satt, ich möchte mehr“, erläutert die Krankenschwester. Doch dann, nach 20, 30 Minuten, fallen Susanna (Namen geändert) die Augen zu, und sie ist eingeschlafen.

Das Ess-Training war erfolgreich

Das Mädchen ist vor vier Jahren mit Trisomie 9 zur Welt gekommen. „Davon gibt’s 30 beschriebene Fälle weltweit“, sagt Herr P. Die seltene genetische Disposition führe zu multiplen körperlichen Fehlbildungen, zur mehrfachen Verkrümmung der Wirbelsäule und zu unbeweglichen Muskeln. Sprechen kann das Kind nicht, „wir müssen halt vieles deuten lernen“. Die Krankenschwestern der Häuslichen Kinderkrankenpflege, die seit drei Jahren täglich ins Haus kommen, haben dem Ehepaar nicht nur dabei geholfen. „Anfangs konnte Susanna gar nicht essen, und die Mediziner haben zur Bauchdeckensonde geraten“, erzählt Frau P., die Mutter. „Dann hätte sie doch gar kein geschmackliches Erlebnis, das wollten wir nicht.“ Deshalb habe sie mithilfe der Schwestern unverdrossen versucht, Susanna zum Essen zu animieren, bis es schließlich klappte.

„Wir schaffen die beste Situation für sie“, sagt der Vater. Niemand wisse, wie lange seine Tochter leben dürfe, die Krankheit sei lebensverkürzend. „Wir wollen ein würdiges, lebenswertes Leben für sie.“ Dazu gehört auch, dass die kleine Susanna den Kindergarten für schwerstmehrfachbehinderte Kinder besuchen kann. Jeden Montag, Donnerstag und Freitag wird Susanna abgeholt, und eine Kinderkrankenschwester begleitet sie.

Neue Methoden zum Wohl der Kleinen

Susannas Lunge hat kaum Platz im Brustkorb, und sie kann nicht abhusten. So besteht die Gefahr einer Lungenentzündung. „Die Schwestern können sie abhören, den Schleim absaugen oder das Kind beatmen, das beruhigt mich sehr“, sagt Frau P. Schwester Gundula Piwowarczyk kennt durch ihre Fortbildungen auch andere Methoden, wie sie die Atmung stimulieren kann. „Kontaktatmung heißt das“, und legt ihre Hände auf den winzigen Brustkorb des Mädchens. Dann drückt sie sanft auf die Brust und hält den Druck. Dadurch werde das Kind animiert, beim nächsten Mal einen tieferen Atemzug zu nehmen, was Entzündungen vorbeuge.

Die Schwestern beobachten ihre kleinen Patienten, und wenn sie mit den alten Methoden nicht weiterkommen, eignen sie sich neue an, immer ausgerichtet auf die Bedürfnisse der Kinder. 18 fest angestellte Schwestern und 15 Aushilfen sind zurzeit in Stuttgart im Einsatz für die Häusliche Kinderkrankenpflege. 26 Familien steuern sie an, manche nur einmal pro Woche, andere bis zu 16 Stunden am Tag.

Kassen zahlen Fortbildung nicht

Auch weil die neue Ausbildung von Krankenschwestern wesentlich weniger auf Kinderpflege eingehe, „ist der Bedarf an Fortbildung hoch“, sagt Anne Graser, Gründungsmitglied des Vereins, der seit 1991 existiert. Die Stadt Stuttgart gewährt Personalkostenzuschüsse, die Krankenkassen erstatten die pflegerischen Leistungen, aber Weiterbildung wird nicht bezahlt. „Dieses Geld müssen wir aus unserem Budget nehmen“, sagt Anne Graser.

Spenden für die Aktion Weihnachten sind möglich bei der BW-Bank, Bic: SOLADEST; Iban DE04 6005 0101 0002  3423 40; Schwäbische Bank, Bic: SCHWDESS, Iban DE85 6002 0100 0000 0063 00