Die Tabletten lagern und dem christlichen Wandschmuck – Frau S. ist sehr gläubig. Foto: Volland

Sie habe ihr ganzes Leben gearbeitet, sagt Frau S., die erlebt hat, wie schnell man abstürzen kann. Ihr Vermieter hatte ihr wegen Eigenbedarfs gekündigt. Für die sehr gläubige Frau begann eine Odyssee.

Frau S. ist skeptisch, ob es eine gute Idee ist, ihre Geschichte niederzuschreiben. „Sie ist doch viel zu traurig“, meint die 64-Jährige. Es ist noch nicht lange her, da schlief sie jeden Abend weinend ein, weil sie so verzweifelt war. Sie hatte kein Zuhause mehr. Kein eigenes Zimmer, kein eigenes Bett, keinen eigenen Schrank. Sie war darauf angewiesen, dass Bekannte sie tageweise bei sich auf dem Sofa übernachten ließen. Einmal verbrachte sie eine Woche in einem Gartenhäuschen einer ehemaligen Arbeitskollegin. Monatelang ging das so, dass sie sich von Woche zu Woche hangelte.

Ende der 1980er Jahre ist Frau S. mit ihrem Mann und ihren damals noch kleinen Kindern aus einem südeuropäischen Land nach Stuttgart gekommen. Sie habe „immer gearbeitet“, betont sie. Ihre erste Stelle sei bei der Kriminalpolizei gewesen. Sie machte dort sauber. Dann fand sie in der Region eine Stelle in einer Fabrik als ungelernte Kraft. Die Kinder wurden größer, kamen in die Schule – und zu Hause wurde die Stimmung immer schlechter. Ihr Mann habe zu trinken und zu spielen angefangen. „Zuerst Kartenspiele, dann am Automaten“, erzählt sie. Sie stritten oft, weil er das mühsam erarbeitete Einkommen verspielte.

2018 hatte Frau S. einen Herzinfarkt

Vor allem die jüngere Tochter habe das belastet. Sie sackte ab in der Schule, hielt es wegen der Streitereien zu Hause kaum noch aus. Frau S. zog den Schlussstrich und trennte sich, war nun alleinerziehend. Nur die Töchter gingen mit ihr, der Sohn war schon erwachsen. Als auch ihre Jüngste auf eigenen Füßen stand, verließ Frau S. Stuttgart. Sie zog in eine bayerische Großstadt, in der damals ihre Schwester lebte und wo sie Arbeit bei einem Spielwarenhersteller in der Verpackung fand. Dort sei man immer sehr zufrieden mit ihr gewesen, sagt Frau S. Nur im Jahr 2018 fiel sie zweimal länger krankheitsbedingt aus: Sie erlitt zuerst einen Herzinfarkt, dazu kam Monate später ein Venenverschluss am Arm. Sie muss bis heute viele Tabletten nehmen.

Ohne gültige Adresse konnte sie nicht mehr weiterarbeiten

Der Absturz kam im Herbst vergangenen Jahres. Sie habe Stress gehabt mit ihrem neuen Vermieter. Der hatte die Wohnung geerbt und berechnete zu hohe Nebenkosten. Sie beschwerte sich. Die Reaktion kam per Post: eine Kündigung wegen Eigenbedarfs. Sie fand keine neue Wohnung bis zum Auszugstermin. Wo sollte sie hin? Die Schwester war zurück in die Heimat gegangen. Und ohne gültige Adresse habe sie auch nicht mehr bei dem Spielwarenhersteller arbeiten können.

Eine Bekannte organisierte einen Wagen, in den ihr Sofa und der Kühlschrank passten, den Rest ließ sie in Bayern. So ging es zurück nach Stuttgart, wo die jüngere Tochter lebt. Im Keller durfte sie Sofa und Kühlschrank unterstellen. Einziehen konnte sie bei ihr aber nicht. Ihre Tochter lebe sehr beengt. Sie sei alleinerziehend und habe kein Zimmer für sich. Sie schlafe im Wohnzimmer, sagt Frau S. Zudem wollte sie ihr nicht zur Last fallen. So ging die Odyssee los mit den wechselnden Schlafplätzen.

Ein Umzugskarton diente zunächst als Tisch

Hilfe hat Frau S. bei der Frauenberatung gefunden. Ihre Beraterin vermittelte sie in eine barrierefreie Wohnung, wo sie nach sechs Monaten Wohnungslosigkeit einziehen konnte. Frau S. ist erleichtert, wieder ein Zuhause zu haben. Allerdings war die Wohnung unmöbliert. Ihr Antrag auf Erstausstattung wurde vom Jobcenter abgelehnt, weil sie in Bayern Möbel besessen hatte. Frau S. schlief die ersten Wochen auf ihrem alten Sofa, ein Umzugskarton diente als Tisch. Inzwischen sieht es aber recht heimelig bei der ordentlichen Frau aus. Die Aktion Weihnachten hat ihr in der Not geholfen und ihr nach ihrem Einzug den Kauf eines Betts, eines Esstischs, zweier Schränke und eines Regals ermöglicht.

So können sie helfen

Konto Die Aktion Weihnachten freut sich über Spenden. Wenn Ihr Name als Spender veröffentlicht werden darf, vermerken Sie das bitte unbedingt bei der Überweisung. Die Konten lauten: Baden-Württembergische Bank, IBAN DE04 6005 0101 0002 3423 40, oder Schwäbische Bank, IBAN DE85 6002 0100 0000 0063 00. Sachspenden können wir aus logistischen Gründen leider nicht annehmen. Alle Artikel zur Aktion Weihnachten lesen Sie hier.