Gefeierter Auftritt bei der Ballettmatinee im vergangenen Jahr: Hyo-Jung Kang und Adhonay Soares da Silva vom Stuttgarter Ballett. Foto: Stuttgarter Ballett

Die Ballettmatinee im Opernhaus muss wie alle Vorstellungen ausfallen. Trotzdem hält sich das Stuttgarter Ballett fit.

Stuttgart - Die Gala des Stuttgarter Balletts und der John-Cranko-Schule zu Gunsten der Aktion Weihnachten unserer Zeitung hat eine lange Tradition; und doch ist es immer wieder ein besonderer Moment, wenn sich im Opernhaus der Vorhang für die Benefizvorstellung hebt.

Am morgigen Nikolaustag wollten die Tänzer wieder ihre Gaben ausschütten. Doch wie so vieles muss auch die 40. Ausgabe dieser bei Ballettfreunden überaus beliebten Veranstaltung leider ausfallen. Keine glänzenden Kinderaugen im Parkett, keine glitzernden Tutus auf der Bühne: Im Corona-Jahr muss das Publikum wie die Maus Frederick von schönen Erinnerungen zehren.

Die Benefizgala gab schon vielen Talenten eine Bühne

Zum Glück gibt es davon genügend. Tanztalenten wie dem Brasilianer Daniel Camargo gab die Benefizgala eine Bühne, um auf sich aufmerksam zu machen; unvergessen sind zum Beispiel Camargos Höhenflüge in den „Notations“ von Uwe Scholz. Auch dem heute international gefragten Choreografen Marco Goecke gelang es bereits als Nachwuchskünstler mit „Äffi“ Akzente zu setzen – Marijn Rademaker ließ mit dem Solo zu drei Songs von Johnny Cash in Abgründe blicken. Und Demis Volpi startete bei einer Gala für die Aktion Weihnachten als Choreograf durch. Mit der Bühnenbildnern Katharina Schlipf verwandelte er den „Karneval der Tiere“ in eine von Tanz beseelte Wunderwelt.

Eigentlich hätte die Gala für die Aktion Weihnachten einer der ersten Auftritte der Stuttgarter Tänzer nach dem November-Lockdown sein sollen, entsprechend groß war die Vorfreude. Nun heißt es für das Stuttgarter Ballett: ohne die Energie aus dem Publikum durchhalten bis Februar, aber trotzdem so fit bleiben, als sei bereits morgen die nächste Vorstellung. Mit welchem Ernst hinter den geschlossenen Türen des Opernhauses gearbeitet wird, war am vergangenen Wochenende zu erleben. Per Live-Stream hatte das Stuttgarter Ballett die Tanzwelt im Internet an einer Premiere teilhaben lassen, die ohne Zuschauer stattfinden musste.

Im Februar wollen die Staatstheater aus dem Lockdown zurückkehren

Weil die Zeit auf der Bühne im Opernhaus im Normalfall kostbar ist, wollte die Kompanie sie auch im Lockdown nicht ungenutzt lassen. Und so durfte man sich dank des Live-Streams über das Wiedersehen mit Jirí Kyliáns Damen-Ballett „Falling Angels“ freuen, das Licht, Perkussionsrhythmen und acht Tänzerinnen raffiniert durcheinanderwirbelt. Auch neue Entdeckungen waren zu machen. Die ornamentalen Körperskulpturen, die Jirí Kylián in „La petite mort“ bietet, und Roland Petits expressives Mini-Drama „Le jeune homme et la mort“ sind live wohl erst im Februar zu erleben. Dann wollen die Staatstheater aus dem Lockdown zurückkehren.

Hebt sich der Vorhang 2021 wieder, haben die Tänzer ein Jahr wie kein anderes hinter sich. Ein Jahr, indem neue Abstandsregeln eine Kunst, die Begegnungen und Körperkontakt geradezu herausfordert, zum Distanzhalten gezwungen hat. Dass man den Glauben ans Wünschen und Hoffen dennoch nicht verlieren darf, davon hätten die für die Gala ausgewählten Tanzstücke erzählen sollen. Das märchenhafte Happy End, mit dem uns dabei„Dornröschen“ verzaubern wollte, muss sich nun jeder selbst herbeiträumen.