Lorenz Kruß zieht es von Aichtal auf den Schurwald hinauf. Foto: privat

Lorenz Kruß, der Bürgermeister der Stadt Aichtal, kandidiert am 17. März bei der Schulteswahl in der Gemeinde Aichwald. Dabei spielen offenbar auch Diskrepanzen mit dem Gemeinderat und Spannungen innerhalb des Rathauses eine Rolle.

Aichtal/Aichwald - Ich flüchte nicht aus Aichtal“, sagt Lorenz Kruß (Freie Wähler), der Bürgermeister der rund 10 000 Einwohner zählenden Stadt. Und doch drängt sich genau dieser Verdacht auf, seit der 53-Jährige verkündet hat, am Sonntag, 17. März, bei der Bürgermeisterwahl in der 7600-Einwohner-Kommune Aichwald anzutreten. Denn um das Verhältnis zwischen dem Rathauschef und dem Gemeinderat ist es offenkundig nicht zum Besten bestellt. Auch von Spannungen innerhalb der Verwaltung ist die Rede. Dass Kruß als einen Beweggrund für die Bewerbung angibt, Aichwald sei „attraktiver“ als Aichtal, kommt in den drei Stadtteilen Aich, Grötzingen und Neuenhaus freilich nicht besonders gut an.

Die Rahmenbedingungen scheinen in Aichwald besser zu sein

Das hat der 53-Jährige offenbar registriert, denn im Gespräch mit unserer Zeitung relativiert er diese in Lokalzeitungen zu lesende Aussage. Aichtal sei „nach wie vor eine attraktive Stadt“, sagt er, aber Aichwald sei „noch etwas besser“. Damit mag er zum einen die finanzielle Situation meinen, denn die Kommune Aichwald ist schuldenfrei und verfügt über Rücklagen sowie eine gute Infrastruktur. Die Stadt Aichtal hingegen ist seit der Wirtschaftskrise 2008/2009 aufgrund stark schwindender Gewerbesteuereinnahmen diesbezüglich nicht auf Rosen gebettet. Zum anderen präsentierten sich die fünf Aichwalder Ortsteile als „eine Gemeinde“. Der Zusammenhalt der drei Aichtaler Stadtteile habe sich in den vergangenen Jahren zwar „verbessert, aber zuletzt auch wieder etwas verschlechtert“.

Stark verschlechtert hat sich in jedem Fall das Verhältnis zwischen dem Schultes und dem Gemeinderat. Kruß hatte dem Gremium in seiner Jahresabschlussrede kurz vor Weihnachten Respektlosigkeit und mangelnde Toleranz vorgeworfen, was ihm im Übrigen auch aus der Bürgerschaft entgegen geschlagen sei. Insbesondere eine halbjährige Sperrung der Aicher Ortsdurchfahrt hatte die Wogen hoch schlagen lassen. Kritik sei nicht mehr sachlich geäußert worden, sondern „auf eine persönliche Ebene abgerutscht. Das gehört sich nicht in einem Gremium“, sagt Kruß und räumt „das eine oder andere Problem“ in den Gremien ein.

Auch innerhalb der Stadtverwaltung müsse man nicht immer einer Meinung sein, beantwortet er die Frage nach Spanungen innerhalb des Rathauses eher ausweichend. „Aber wir schaffen gut zusammen“, schiebt er hinterher.

„Keine einfache Situation“

Jürgen Steck, der Vorsitzende der Gemeinderatsfraktion der Grünen, empfindet Kruß’ Aussage, Aichwald sei attraktiver als Aichtal als „sehr unklug und ungeschickt“. Unbestritten sei es zu Reibereien zwischen dem Bürgermeister und dem Gemeinderat gekommen. Aber das „zahme und nicht fürchterliche“ Gremium habe das „nicht so dramatisch empfunden“, wie es der Rathauschef jetzt nach außen trage. Er schätze Lorenz Kruß als „feinen und sensiblen Menschen“, der sich immer voll für Aichtal eingesetzt habe – sowohl seit 2012 als Bürgermeister als auch in den 20 Jahren davor, in denen er der Stadt als stellvertretender und verantwortlicher Kämmerer gedient hatte, sagt Jürgen Steck.

Kruß’ Bewerbung um die Nachfolge von Nicolas Fink (SPD) in Aichwald sei für Aichtal „keine einfache Situation“, erklärt Jost W. Fuhr, der Vorsitzende der CDU/Bürgerliste Aichtal-Gemeinderatsfraktion. Aber es sei legitim und stehe jedem frei, „sich woanders zu bewerben“. Er habe sich durch Kruß’ Rede vor Weihnachten nicht „in irgendeine Ecke gestellt gefühlt“, sagt Fuhr – wohlwissend, dass das andere Räte anders empfunden hätten. Zudem schätze er Kruß als einen „guten Menschen“.

Lorenz Kruß: Mit „vollem Einsatz“ für Aichtal

Doch wie geht es in den politischen Gremien, an der Verwaltungsspitze der Stadt und mit Lorenz Kruß weiter, sollte er am 17. März nicht zum Rathauschef von Aichwald gewählt werden? Dass er mit seiner Kandidatur scheitern kann, ist dem 53-jährigen Diplom-Verwaltungswirt ebenso bewusst, wie das „nicht unbeträchtliche Risiko“ für seine berufliche Karriere und seinen Stand in Aichtal, das er mit der Bewerbung eingeht. Denn er könne es nachvollziehen, wenn ihm dann bei der Rückkehr auf den Aichtaler Chefsessel viele in der Stadt den Stempel mit dem Duktus „Der will ja sowieso weg“ verpassen würden.

Ein Beispiel dafür müsste Kruß noch sehr präsent sein. Mit ihm hatte vor sieben Jahren der damalige Neckartailfinger Bürgermeister Jens Timm in der Nachbarstadt Aichtal kandidiert und gegen ihn verloren. Die Neckartailfinger straften Timm zwei Jahre später für seine Abwanderungsgelüste ab. Anstatt ihn für eine weitere Amtsperiode zu bestätigen, wählten sie seinerzeit Gerhard Gertitschke zum Chef im Rathaus.

In jedem Fall werde er aber mit vollem Einsatz in Aichtal weiter arbeiten, „sollte es in Aichwald nicht klappen“, beteuert Lorenz Kruß. Schließlich ende seine Amtszeit erst am 30. Juni nächsten Jahres. Die Kandidatensuche für die Wahl in Aichtal dürfte bereits anlaufen.