Sahra Muse (32) tröstet ihren unterernährten Sohn Ibrahim Ali (7) in ihrer Unterkunft in einem Lager in Garasbaley am Rande von Mogadischu. Laut UN sind derzeit etwa drei Millionen Menschen von der Dürre in Somalia betroffen. Foto: AP

Die Vereinten Nationen sprechen von der größten humanitären Katastrophe seit mehr als 70 Jahren: In Somalia, Nigeria, im Südsudan und im Jemen sind wegen akuter Dürre Millionen Menschen von Hunger bedroht. Allein in Somalia sind Hunderttausende auf der Flucht.

Garasbaley - Mit Tränen in den Augen schaut Sahra Muse auf ihren Sohn, der seine dürren Ärmchen über den aufgeblähten Bauch hält. Früher half der Siebenjährige beim Hüten der 30 Kühe auf ihrer Farm in Toratorow, einem Dorf in der Region Shabeellaha Hoose.

Dann kam die Dürre und nahm der Familie alles. Irgendwann machte sich Muse mit ihrem Sohn auf den Weg. Sie ließ ihre drei anderen Kinder und deren Vater zurück. Nach drei Tagen erreichte die 32-Jährige Anfang der Woche das windumtoste Lager Garasbaley 13 Kilometer südlich der Hauptstadt Mogadischu. Jetzt sitzt sie in einer Hütte aus Stöcken und Stofffetzen und schaut auf ihren Jungen, dessen Schreie sie nachts wach halten

„Das Leben wird immer härter“, sagt sie. „Uns ist nichts geblieben, und ich weiß nicht, wie lange wir überleben werden.“

Größte humanitäre Katastrophe seit mehr als 70 Jahren

Nach Angaben der Vereinten Nationen bedroht die gegenwärtige Dürre die Hälfte der Bevölkerung Somalias - rund sechs Millionen Menschen. Hilfsorganisationen verstärkten ihren Einsatz, fordern aber dringend mehr Unterstützung.

Ähnliche Hungerkrisen gibt es im Südsudan, im Nordosten von Nigeria und im Jemen. Insgesamt sprechen die Vereinten Nationen von der weltweit größten humanitären Katastrophe seit mehr als 70 Jahren. Gleichzeitig sind die USA dabei, sich mit dem von Präsident Donald Trump vorgelegten Haushaltsplan von ihrer traditionellen Rolle als wichtigster Geldgeber in Notsituationen zu verabschieden.

Dorfbewohner errichteten das improvisierte Lager Garasbaley für die erschöpften Neuankömmlinge, doch nun warten sie darauf, dass eine internationale Hilfsorganisation die Hungernden mit Nahrungsmitteln versorgt. Ohne Essen oder Geld plant Muse einen weiteren Tagesmarsch nach Mogadischu, um ihren Sohn zu retten. 2011 überlebte er die Dürre, bei der in Somalia fast eine Viertelmillion Menschen verhungerten. Nun versucht sie verzweifelt, ihn auch diesmal durchzubringen.

Ein Vierteljahrhundert Bürgerkrieg

Die Krise entwurzelte erneut Hunderttausende Menschen in ganz Somalia, wo ein Vierteljahrhundert Bürgerkrieg bereits zwei Millionen Menschen aus ihren Dörfern vertrieben hat. Nun sind von der Dürre betroffene Familien unterwegs, auf der Suche nach Orten, an denen internationale Organisationen Lebensmittel ausgeben. Die Hilfswerke wagen sich jedoch nicht in Regionen, die von der islamistischen Al-Shabaab-Miliz mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida kontrolliert werden. In der Nation am Horn von Afrika hat die fragile Zentralregierung Mühe, sich außerhalb der Hauptstadt und einiger anderer Gebiete zu behaupten.

Zwischen November und Ende Februar verließen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks rund 257 000 Menschen wegen der Dürre ihre Heimatorte. Manche flüchten in urbane Gebiete, andere in Nachbarländer. Im Lager Garasbaley kommen täglich Dutzende Hilfesuchende an. Erschöpfte, unterernährte Frauen mit vor Hunger weinenden Kindern suchen Schutz vor der sengenden Sonne in selbstgebauten Hütten.

Das Leiden geht weiter

Hilfswerke sind bisher nicht vor Ort. Auch Aydrus Salah und seine drei Kinder bekamen im Lager bisher nichts zu essen. Der 30-Jährige verließ seine Heimatstadt Yaqbariweyne, nachdem seine Ziegen und Kühe, die den Lebensunterhalt sicherten, verendet waren.

Auf dem Weg ins Lager musste Salah zusehen, wie seine Frau vor Hunger starb. Als er das erzählt, laufen ihm Tränen übers Gesicht. Allein trug er seine drei Kinder danach zwei Tage lang zum Lager. Schlaf findet er kaum, und wenn, dann hat er Alpträume. „Wegzugehen war meine einzige Option“, sagt er, während er eines seiner Kinder in die neu errichtete Hütte trägt. „Nun sind wir endlich hier angekommen, und das Leiden geht weiter.“