Bundesforschungsministerin Anja Karlic will Richtlinien für künftige Vergabeverfahren erarbeiten. . Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Ein Jahr nach der höchst umstrittenen Vergabe der Batterieforschungsfabrik nach Münster, bei der sich der Südwesten unfair übergangen fühlte, räumt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek Fehler ein und gibt sich selbstkritisch.

Berlin - Ein Jahr nach der heftig umstrittenen Standort-Entscheidung für eine Batterie-Forschungsfabrik zugunsten Münsters räumt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) im Gespräch mit unserer Zeitung überraschend offen Fehler ihres Hauses ein. Der Südwesten war damals leer ausgegangen, obwohl er sich mit den Kompetenzzentren in Ulm und Karlsruhe am Wettbewerb beteiligt und sich große Hoffnungen auf den Zuschlag gemacht hatte. Recherchen unserer Zeitung hatten eine Reihe von Erstaunlichkeiten im Verfahren aufgedeckt, die den Vorwurf nach sich zogen, NRW sei damals bevorzugt behandelt worden.

Die Ministerin hatte das immer vehement bestritten. Die CDU-Spitzenkandidatin im kommenden Landtagswahlkampf, Susanne Eisenmann, hatte ihr den Rücktritt nahegelegt. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich mit deutlicher Kritik zu Wort gemeldet.

„Dieses Verfahren hatte Defizite“

„Die Entscheidung für das Konzept zum Standort Münster war und ist richtig. Es war das exzellenteste unter mehreren sehr guten Vorschlägen“, sagt Karliczek auch heute noch. Dennoch zeigt sie sich rückblickend auch einsichtig: „Dieses Verfahren hatte Defizite. Und ja, wir haben Fehler gemacht“, sagte die Ministerin unserer Zeitung. „Selbstkritisch müssen wir einräumen, dass es von außen den Anschein haben konnte, nicht alle Wettbewerber seien mit den gleichen Informationen insbesondere zu Grundstück und Gebäude versorgt worden“, räumte Karliczek ein. Das habe zwar nie in der Absicht des Hauses gelegen. „Aber natürlich müssen wir uns den Schuh anziehen, dass wir da Angriffsfläche geboten haben.“

Tatsächlich konnte unsere Zeitung anhand von internen Unterlagen des Ministeriums nachweisen, dass NRW unter anderem schon ein halbes Jahr vor dem offiziellen Start des Wettbewerbs präzise Berechnungen des Flächenbedarfs per Mail erhalten hatte. Auch die Liste der Mitglieder der Gründungskommission ging vor den Wettbewerbsstart an NRW.

„Es war kein böser Wille“

Karliczek kündigte an, dass das Ministerium Konsequenzen aus dem Verlauf des Wettbewerbs ziehen werde. In solch schwierigen Großverfahren müsse das Ministerium jederzeit sensibel vorgehen. Die Informationsweitergabe sei „da ein Punkt“. „Es war kein böser Wille, dass dies in dem Verfahren zur Forschungsfabrik nicht immer geschehen ist, es ist auch ganz sicher nicht in der Absicht geschehen, jemanden zu übervorteilen“, sagte Karliczek. Aber künftig müsse das Haus „Mechanismen finden, dass so etwas nicht noch einmal passiert“. Entsprechende Vorgaben würden derzeit erarbeitet. Auf dem Weg bis zur Entscheidung müsse man „immer wieder innehalten und sich fragen, ob man alle gleich behandelt und ob man das Verfahren strukturiert und nachvollziehbar aufgesetzt hat – und sich dies auch in einer transparenten Dokumentation niederschlägt.“

Irritierend am Verlauf der Standortentscheidung war auch die eigentlich entscheidende Sitzung der Gründungskommission am 25. Juni 2019, die wegen angeblicher Befangenheit der Industrievertreter überraschend abgebrochen worden war. In anschließenden Blitzberatungen zwischen Wirtschafts- und Forschungsministerium wurden drei neue Kriterien benannt, anhand derer entschieden werden sollte. Noch am selben Tag fiel der Beschluss zugunsten des Standorts Münster.

„Es ist eine Lehre für uns“

„Im konkreten Verfahren zur Forschungsfabrik hätte man viel früher und viel klarer in den Fokus nehmen müssen, dass in der sogenannten Gründungskommission Fachleute aus der Wirtschaft saßen, die aber auch Interessen von Wettbewerbern vertraten“, sagte Karliczek rückblickend. „Sie waren damit befangen.“ Die Experten zu hören, sei notwendig und richtig gewesen. „Der Eindruck, sie würden unabhängig begutachten oder gar entscheiden, hätte vermieden werden müssen“, meint Karliczek. Ihre Zusammenfassung der Angelegenheit: „Dieses Verfahren ist eine Lehre für uns.“

Politisch ist die ganze Sache zumindest noch nicht ganz ausgestanden. Ein Bericht des Bundesrechnungshofes in dieser Angelegenheit steht noch aus und wird in Kürze, womöglich sogar schon in der kommenden Woche erwartet.