Geht auch im Gemeinderat keinem Streit aus dem Weg: Heinrich Fiechtner (rechts), hier im Gespräch mit dem AfD-Fraktionschef Bernd Klingler. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der AfD hat er im Streit den Rücken gekehrt und angekündigt, sein Ratsmandat im Februar abzugeben. Doch Heinrich Fiechtner lässt sich Zeit. Offenbar will er Ende Februar im Gemeinderat bei der Debatte über das Klinikum nochmals eine Duftmarke setzen.

Stuttgart - Geht er, und wenn ja, wann? Diese Frage treibt nicht nur die drei verbliebenen AfD-Stadträte im Stuttgarter Gemeinderat um, wenn das Gespräch auf ihren Fraktionskollegen Heinrich Fiechtner kommt. Zwar hatte der Onkologe, mittlerweile aus der AfD ausgetreten, seinen Abschied aus dem Gemeinderat für Februar angekündigt, um sich dann ganz auf seine Funktion als fraktionsloser Abgeordneter im Landtag zu konzentrieren. Doch ein konkretes Datum für seinen Rückzug aus der Stuttgarter Kommunalpolitik nennt er nicht. „Was meine Tätigkeit im Gemeinderat betrifft, behalte ich mir vor, dies in aller Ruhe und vor allen Dingen vor Ort zu regeln“, beschied er dieser Tage eine Anfrage unserer Zeitung.

Stattdessen strotzt der Stadtrat, den viele in der Stuttgarter AfD-Kreispartei besser heute als morgen los wären, in seinen mutmaßlich letzten Tagen als kommunaler Mandatsträger nur so vor Tatendrang. Nicht nur, dass er in der vergangenen Woche als Mitglied einer Delegation des Stuttgarter Gemeinderats die indische Partnermetropole Mumbai bereisen durfte – in dieser Woche wähnte sich Fiechtner beim Europäischen Polizeikongress in Berlin unentbehrlich: „Für mich als Mitglied des Innenausschusses des Landtages ist das ein wichtiges Thema. Für die Stadt Stuttgart im Übrigen auch.“ Darüber hinaus würde Fiechtner wohl gerne noch im Amt miterleben, dass seine Anfrage zum Themenkomplex Klinikum in der Vollversammlung des Gemeinderats debattiert wird. Bei der jüngsten Sitzung des Plenums fiel er dem AfD-Fraktionschef Bernd Klingler in den Rücken, der im Ältestenrat zugestimmt hatte, das Thema erst am 22. Februar auf die Tagesordnung zu setzen. Fiechtner beharrte dagegen unter Hinweis auf die Gemeindeordnung auf sofortige Behandlung des mehrseitigen Papiers – vergeblich.

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Fiechtner war und ist von seiner Bedeutung als Mandatsträger stets sehr überzeugt

Der Stadtrat war und ist im Rathaus wegen seiner verbalen Ausfälle stets umstritten und strickt sich in manchen Debatten seine eigene Wahrheit zurecht. Wenn er etwa immer wieder Zweifel an den gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung äußert, lässt sich der Mediziner auch von entsprechenden Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht von seinen Thesen abbringen.

Seine politischen Duftmarken setzte Fiechtner aber vorwiegend außerhalb des Rathauses, etwa als er den Koran mit Hitlers „Meine Kampf“ verglich oder OB Fritz Kuhn (Grüne) auf Facebook einen „miesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“ nannte. Dabei war er von der eigenen Bedeutung, die mit einem politischen Mandat einhergeht, stets überzeugt. So begehrte der Stadtrat einst Einlass in ein Notaufnahmeheim für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, um sich vor Ort persönlich über die Belegungssituation und über die Ausbreitung von Windpocken und Krätze zu informieren, bis er von der Stadt ein Hausverbot auferlegt bekam. Und auch im Vorfeld der Dienstreise ins ferne Indien nervte er die Stadtverwaltung mit protokollarischen Regularien: Als zweitranghöchstes Mitglied der Delegation nach OB Kuhn wünsche er als Landtagsabgeordneter dementsprechend begrüßt zu werden, ließ Fiechtner nach Informationen unserer Zeitung die Reiseleitung wissen. Auf dem Gruppenfoto, das die mitreisenden Delegationsmitglieder im Kreise der indischen Gastgeber zeigt, musste er dann freilich mit einem Platz in der dritten Reihe vorlieb nehmen.

Bilden AfD und LKR künftig eine Fraktionsgemeinschaft?

Während der Noch-Stadtrat also weiterhin Politik macht, als wäre er nie im Streit um antisemitische Tendenzen aus der AfD ausgetreten, ist bei der AfD-Fraktion offen, wie es weiter geht. Mit Walter Schupeck steht zwar ein Nachrücker für Fiechtner bereit. Schupeck gehört allerdings mittlerweile den 2015 im Streit von der AfD abgespaltenen Partei des AfD-Mitbegründers Bernd Lucke, den Liberal-Konservativen Reformern (LKR), an. Deren Landesvorsitzender, der frühere FDP-Regionalrat Ronald Geiger, hatte gegenüber unserer Zeitung erklärt, er sehe keine Hindernissgründe für eine solche Zusammenarbeit. Die Fraktion würde dann allerdings als Fraktionsgemeinschaft unter geänderter Bezeichnung im Rat firmieren. Zudem halten sich im Rathaus hartnäckig Gerüchte, dass Fiechtner nicht der letzte aus der Riege der AfD sein könnte, der darüber nachdenkt, der Ratsfraktion den Rücken zu kehren.