Aus der fein ausgedachten Ausruh-Zone im Großstadt-Dschungel wird nichts. Das Parklet hat keine Genehmigung. Foto: K'uyuy/Kukuk-Freiflug

Die Stadt Stuttgart erlaubt keine neue Parklets mehr. Das Gerberviertel läuft Sturm, Quartiersmanager Wolf macht sich über die Verwaltung lustig.

S-Mitte - Viele Leute haben eine Menge Hirnschmalz investiert, um die beste Lösung für ein Parklet im Gerberviertel zu finden. Am Ende des Wettbewerbs gewannen die Firmen K‘uyuy und Kukuk-Freiflug. „Parklets wollen wir nicht mehr missen. Jahr für Jahr erinnern sie uns daran, dass es auch im aufgeheizten, staubigen Kessel, im Großstadt-Dschungel, Oasen der Erholung gibt“, sagten die Architekten bei der Preisverleihung.

Doch aus der Erholungs- und Ausruh-Zone in der Sophienstraße wird nichts. Sehr zum Ärger von Quartiersmanager Hannes Wolf. Dabei hatte er sich alles fein ausgedacht: An diesem Samstag, 16. Juni, sollte das Parklet eröffnet werden. Es war versichert gegen Personen- und Sachschäden, gesponsert von den benachbarten Geschäften und für jedermann und jederfrau nutzbar. Und jetzt ist alle Mühe vergebens.

Denn die Stadtverwaltung hat derzeit alle Parkletvorhaben auf Eis gelegt, bis der Gemeinderat die (noch ausstehende) Vorlage zu einem Parkletgenehmigungsverfahren abgesegnet hat. Sven Matis, Sprecher der Stadt, bestätigt das: „Parklets lassen jeden spüren, was öffentlichen Raum auszeichnet, so fördern sie die Gemeinschaft in den Quartieren. Dennoch gab es auch Kritik von Anwohnern und Autofahrern. Deswegen braucht es klare, nachvollziehbare Maßgaben, wie und wo solche Parklets errichtet werden können.“ Weiter sagt er: „Diese Regeln sollen für die gesamte Stadt gelten. Darüber muss der Gemeinderat befinden. Eine Diskussion dieser Vorgaben ist für den Herbst im Ausschuss für Umwelt und Technik geplant. Vor einer Entscheidung des Gemeinderats kann daher das Ordnungsamt keine Parklets genehmigen, auch nicht vor dem Gerber.“

Quartiersmanager macht sich über Stadt lustig

Wolf macht sich darüber lustig, indem dieses Vorgehen mit Ironie kommentiert: „Wir finden es prima, wie professionell und streng logisch Verwaltung und Stadtpolitik mit der selbst erklärten Parklet-Testphase umgegangen sind: es gab keinerlei neues Parklet. Nur ein altes am Schützenplatz.“

Apropos Parklet am Schützenplatz. Dieses Projekt wurde im vergangenen Jahr sogar mit dem Bundespreis „Nachbarschafts-Oscar“ ausgezeichnet. In der Begründung der Jury hieß es dazu: „Die Nachbarn des Schützenplatzes organisierten gemeinschaftlich die Umgestaltung und Bespielung eines nur zum Parken genutzten Platzes. Sie wandelten vier Parkplätze zum Parklet mit urbanem Garten und öffentlichen Treffpunkt um. Den neuen Freiraum belebten sie mit Nachbarschafts-Brunchs oder Tischtennisturnieren und stellten eine öffentliche Pinnwand für den Austausch untereinander auf. Dieses Modellprojekt zeigt, wie aus Parkplätzen wertvoller Begegnungsraum entstehen kann. Eine vorbildliche Bereicherung und Belebung der Nachbarschaft.“

Projekte, die überregional gelobt werden, sind in Stuttgart also vorerst nicht zu realisieren. Im Gerberviertel kann niemand die Haltung der Stadt nachvollziehen. Wolf meint sogar: „Jederzeit kann man monatelang einen Container auf einen Parkplatz stellen, oder eine Baustelle einrichten oder natürlich ein Auto oder einen Anhänger drauf parken. Aber ein Parklet, bei dem sich in unserem Fall so ziemlich alle darüber gefreut hätten – kein Anwohner-Parkdruck, Geschäfte machen mit, optimales Best-Practice-Beispiel – geht halt einfach nicht.“ Nicht mal auf dem fünf bis sechs Meter breiten Gehweg zum Geschäft „sichtbar Augenoptik“ hin darf es aufgestellt werden. Wolf: „Die Verwaltung schiebt die Politik vor und die Politik die Verwaltung. Und wir sind die Deppen.“

Öffentliche Diskussion am Samstag

Einzig der Bezirksbeirat Mitte und Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle hätten in der Stadt den Nutzen der Parklets erkannt, meint Wolf und ergänzt: „Wir freuen uns trotzdem, dass ein kleines Parkraumwunder am 16. Juni an der Stelle unseres eigentlich geplanten Parklets steht.“ Gemeint ist eine kleine Kunstinstallation.

Der Mann hinter dem Kunstwerk, Gerhard Wollnitz, stellt genau die Frage, die auch die Parklet-Idee thematisiert: „Wer oder was beansprucht öffentlichen Raum, und in welchem zeitlichen und flächenmäßigen Umfang? Macht es Sinn, weiter in klassischen Auto-Park-Gewohnheiten zu denken, wenn sich vor einem Haus mit acht Wohneinheiten, die jeweils 1,5 Autos besitzen nur vier Pkw-Stellflächen befinden? Oder ist es Zeit für einen neuen Ansatz? Drei Parkflächen und ein kleiner Boxring, um um die drei verbliebenen Parkplätze zu fighten?“

Um diese Frage öffentlich zu diskutieren, laden der Gerberviertelverein und Wollnitz an diesem Samstag, 16. Juni, 14 Uhr, in der Sophienstraße 15, „zur verbalen Schlägerei um Parkplätze in Stuttgart“ ein.