Peter Heilig gehört schon fast zum Inventar des Lehrerzimmers. Foto: Gottfried Stoppel

In der Zeit bis Weihnachten öffnen wir jeden Tag ein Türchen zu einem Ort in der Region Stuttgart, der sonst meist verschlossen ist. Am 19. Dezember sind wir zu Besuch im Lehrerzimmer der Gemeinschaftsschule Korb.

Korb - Was machen die da drin eigentlich? Das hat sich wohl jeder Schüler schon einmal gefragt, der vor dem Lehrerzimmer stand. Der vorsichtig klopfte und noch vorsichtiger fragte, ob Lehrer xy vielleicht kurz mal rauskommen könne? Keine Frage: Es war heilig, das Lehrerzimmer. Vielleicht allein deswegen, weil es der einzige Raum in der Schule war, den man wirklich nie, kein einziges Mal, von innen gesehen hat.

Das soll sich an diesem Vormittag ändern. Und zwar an der eigenen, ehemaligen Grundschule: der Gemeinschaftsschule Korb, Standort Urbanstraße. Die hieß vor 30 Jahren noch Urbanschule – so lange ist die Einschulung mittlerweile her. Die Vögel an der Fassade, vor denen das obligatorische Bild mit Schultüte entstanden ist, gibt es immer noch. Auch das Sankt-Georg-und-der-Drache-Wandbild prangt wie gehabt im obersten Stockwerk an der Wand.

Konferenztisch und Kaffeemaschinen

Dort befindet sich auch das Lehrerzimmer, allerdings ist es mittlerweile aus Platzgründen in dem Raum untergebracht, in dem früher Lehrmittel verstaut waren. Denn: wo früher acht Klassen unterrichtet wurden, müssen heute 14 Klassen untergebracht werden. Die Schüler, aber auch die Lehrer, müssen deshalb zusammenrücken.

Die Tür geht auf – und zu sehen ist ein weihnachtlich geschmückter Konferenztisch, auf dem sogar Plätzchen stehen. Viel mehr hat in dem Zimmer keinen Platz. Auf der linken Seite gibt es die Küchenzeile, auf der Arbeitsplatte stehen zwei Kaffeemaschinen. Die Zeiten von frisch gebrühtem Filterkaffee sind allerdings vorbei, es wird mit Pads gearbeitet. „So kann sich jeder den Kaffee machen, den er möchte“, erzählt Konrektorin Martina Gaßner.

Kurz bevor die Kollegen kommen, zeigt sie noch den überschaubaren Rest: das Brett mit den Vertretungsplänen, das Marmeladeglas, in dem Geld für das gesunde Pausenfrühstück gesammelt wird, das Hinterzimmer mit dem Kopierer und den Papierpaketen sowie die persönlichen Fächer. „Einige wenige haben eines, das man abschließen kann“, sagt sie. Viel lagern könne man allerdings eh nicht, es seien eher „Sie-haben-Post-Fächer“. „Das meiste Material haben die Kollegen in ihren Klassenzimmern.“

Nur die ganz Mutigen bringen Nachrichten ins Lehrerzimmer

Um 9.30 Uhr klingelt es zur großen Paender use und das Lehrerzimmer füllt sich. Die einen holen Vollkornbrot aus ihrer Vesperdose, die anderen greifen beherzt bei den Plätzchen zu. Schnell eine Tasse Kaffee, bevor es in 20 Minuten weiter geht. Es klopft. „Frau Kohler, wann darf ich mein Wichtelgeschenk aufmachen?“, will ein Schüler wissen – und bleibt tatsächlich artig an der Türschwelle stehen.

„Das ist der einzige kinderfreie Raum in der Schule, unser Rückzugsort“, sagt Lehrerin Christa Hauser, während gedämpft das Gekreische vom Pausenhof durch das Fenster dringt. Nur die ganz mutigen würden sich überhaupt trauen, Nachrichten ins Lehrerzimmer zu bringen. Aber das sei auch gut. „Das ist der Ort, an dem ich mich mal mit Erwachsenen unterhalten kann, die Ansprache kommt sonst etwas zu kurz“, sagt Britta Wilhelm. Sich mit den Kollegen zu treffen, auszutauschen – das schätzen die Lehrer an ihrem Zimmer.

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Ob es eine Sitzordnung gibt? „Die Lehrer der 3. Klasse sitzen gerne ganz hinten, die Schulleitung vorne, weil man da den kürzesten Weg zum Sekretariat hat“, erklärt Peter Heilig. Der 61-Jährige ist der einzige Lehrer, der vor 30 Jahren auch schon da war. Klassenlehrer in der dritten und vierten Klasse, unvergessen und prägend. Der viel verwendete Satz „Aber der Herr Heilig hat gesagt...“, wird in der Familie immer noch zum besten gegeben.

Peter Heilig hat sich, genauso wie die Schule, fast garnicht verändert, nur das Haar ist grauer geworden. Und er ist – relativ untypisch für eine Grundschule – auch nicht der einzige Mann im Lehrerzimmer. Gerwin Krieglsteiner leistet ihm seit einigen Jahren Gesellschaft. „Als Jungspund habe ich angefangen, jetzt bin ich kurz vor der Rente“, sagt Heilig, der gerade seine letzte dritte Klasse übernommen hat.

Nicht mehr miterleben wird er auch den Schulanbau, der die Raumnot lindern soll. Das Lehrerzimmer wird dann ins Erdgeschoss umziehen und größer werden. Im Sommer 2018 soll es losgehen mit den Bauarbeiten. Aber eins wird sich auch mit den neuen Räumlichkeiten nicht ändern: „Das Lehrerzimmer ist ein Taburaum. Und so soll es auch sein“, sagt Peter Heilig.