Jahreszeiten kennen die hier lebenden Zecken wegen des Klimawandels sowieso kaum noch, wie der Berliner Zecken-Experte Olaf Kahl bestätigt. Er ist Geschäftsführer von Tick-Radar – einem Informationsdienstleister in puncto Zecken und weiß: „In diesem Winter haben wir in unseren Zeckenstationen sogar an den Weihnachtsfeiertagen aktive Zecken gefunden.“ Foto: www.mauritius-images.com

Im Zeckenland Baden-Württemberg warnen Experten vor zu großer Sorglosigkeit: Nicht nur im Wald, auch in der Stadt finden sich inzwischen die Parasiten. Und von den südlichen Gefilden wandern schon neue Arten ein. Warum Zecken so schwierig zu bekämpfen sind, erklären Experten.

Hohenheim - Geht es nur nach Zahlen, dann klingt es nicht gerade so, als würde man beim Durchstreifen von Wald und Wiesen um Leib und Seele fürchten müssen – selbst in sogenannten Risikogebieten für die von Zecken übertragene Hirnhautentzündung FSME, zu denen die meisten Landkreise von Baden-Württemberg gezählt werden. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind im vergangenen Jahr 221 Bundesbürger an der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) erkrankt. Mit insgesamt 62 Patienten zählte das RKI 33 Betroffene weniger als 2014. Laut der Techniker-Krankenkasse (TK) ist das die geringste Erkrankungszahl seit Beginn der Meldepflicht im Jahr 2001.

Doch Zahlen können trügen. Das sagt zum einen der Leiter des Deutschen Konsiliarlabors für FSME, Gerhard Dobler. Er warnt anlässlich des Süddeutschen Zeckenkongresses, der in der kommenden Woche im Schloss Hohenheim beginnt, davor, sich angesichts sinkender Fallzahlen in falscher Sicherheit zu wiegen: „Es ist typisch für die FSME, dass sie im Jahr zwischen 200 und 500 Fällen schwankt.“ Warum das so sei, darauf weiß der Experte allerdings keine Antwort: „Wir verstehen die Dynamik dieser Infektionskrankheit einfach noch nicht.“

„Man kann einen Garten nicht zeckenfrei halten“

Zumindest an Tieren, die diese Infektionskrankheit übertragen können, mangelt es hierzulande nicht. Das zeigen vor allem die Ergebnisse zur ersten Zeckenerhebung in deutschen Gärten der Universität Hohenheim. Seit 2014 ist das Team um Ute Mackenstedt, die Leiterin der Parasitologie, in rund 100 Gärten aus dem Großraum Stuttgart alle zwei Monate auf Zeckenjagd gegangen: „In knapp drei Vierteln der 2015 untersuchten Gärten konnten Zecken nachgewiesen werden“, sagt Mackenstedt. Darunter auch solche, die mit FSME-Viren oder Borrelien-Bakterien verseucht waren.

Wer nun glaubt, die Forscher waren nur in Schreber- oder nur in naturnahen Gärten unterwegs, in denen sich Hirsch, Reh, Vogel, Fuchs und Maus – die typischen Wirtstiere der Blutsauger – gute Nacht sagen, der irrt: „Ein Viertel der Tiere fanden wir in Gärten mitten in der Stadt und in solchen, die sehr gepflegt waren.“ Der extremste Fund war in einem Garten im Stadtteil Botnang: Dort klammerten sich an die Zeckenfahne – ein weißes Tuch, das man über den Rasen zieht – im Laufe eines Jahres 1600 Zecken.

„Man kann einen Garten nicht zeckenfrei halten“, sagt Mackenstedt. „Einmal angeschleppt, bilden sie stabile Populationen.“ Diese sind mitunter nur an kleinen Stellen zu finden: So war in einem Garten nur ein Rosmarinsträuchlein besetzt.

Zecken aus dem Mittelmeerraum wandern schon nach Deutschland

Doch die Populationen sind äußerst stabil: Denn Jahreszeiten kennen die hier lebenden Zecken wegen des Klimawandels sowieso kaum noch, wie der Berliner Zecken-Experte Olaf Kahl bestätigt. Er ist Geschäftsführer von Tick-Radar – einem Informationsdienstleister in puncto Zecken und weiß: „In diesem Winter haben wir in unseren Zeckenstationen sogar an den Weihnachtsfeiertagen aktive Zecken gefunden.“

Noch handelt es sich dabei größtenteils um den Gemeinen Holzbock, von Experten Ixodes ricinus genannt. Doch schon wandern langsam Zecken aus dem Mittelmeerraum ein, wie Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt warnt: Da wäre beispielsweise die Braune Hundezecke, Rhipicephalus sanguineus, die sich vor allem in Hundehütten und Haushalten, in denen Hunde wohnen, überaus wohlfühlt. Ursprünglich stammen die Parasiten aus dem Mittelmeerraum, reisen aber gern per Anhalter bei Urlaubern mit Vierbeinern auch in die hiesigen Gefilde.

Mit größerer Besorgnis beobachten die Zeckenforscher allerdings das vermehrte Auftauchen eines anderen Exemplars mit Namen Hyalomma Marginatum, einer asiatischen Gattung der Schildzecke, die per Zugvögeln nach Deutschland gelangt – gern mit dem Hämorrhagischen Krim-Kongo-Fieber im Gepäck. Zwar ist es noch nicht so, dass diese Zecken hier Populationen bilden, sagt der Berliner Experte Olaf Kahl. Dafür gebe es doch noch zu große jahreszeitliche Schwankungen. „Aber es gibt einen Trend, dass diese Zeckenart in den kommenden Jahren zunehmen wird.“

Ein Zecken-Vernichtungsmittel ist noch in der Forschung

Was also tun? Giftcocktails gegen die Spinnentiere sind noch nicht zu haben. Zwar forscht man in der Uni Hohenheim gerade an kleinen Mikrokapseln, die Sporen eines Pilzes enthalten, der den Körper der Zecke durchdringt und sie somit tötet. „Doch ob ich den Verkauf des Mittels noch erlebe, ist äußerst fraglich“, sagt Mackenstedt.

Es hilft nur, sich selbst zu schützen: Mit einer Impfung etwa, die eine Ansteckung mit den FSME-Viren verhindert. In Baden-Württemberg lohnt sich diese allemal: Hierzulande gibt es 69 Landkreise, die vom RKI als FSME-Risikogebiete eingestuft werden. Und mit einer Hirnhautentzündung ist nicht zu spaßen: In schweren Fällen kann es zur Entzündung des Gehirns sowie Schädigung des Rückenmarks kommen. Schlimmstenfalls endet eine Infektion tödlich.

Am wichtigsten ist jedoch, seinen Körper nach dem Aufenthalt im Freien öfter mal abzusuchen. Denn eine weitere von Zecken übertragene Erkrankung ist die Lyme-Borreliose. Die Infektion beginnt mit einem roten Ring um den Zeckenstich. Weitere Symptome sind Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Fieber. Unbehandelt sind Spätfolgen wie Gelenk-, Herzmuskel- oder Nervenentzündungen möglich. Und, so warnt Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt, „typische Risikogebiete oder Schutzimpfungen gibt es hierfür nicht“.

Die größten Irrtümer über Zecken

Zecken beißen

Zwar hat die Zecke scherenartige Mundwerkzeuge, die sogenannten Cheliceren, dennoch beißen die Tiere damit nicht zu: Die Mundwerkzeuge dienen vielmehr dazu, die Haut ihres Wirts aufzureißen. Dann bohrt die Zecke ihren Stechrüssel – das Hypostom – ins Gewebe. Das Blut, das sich in dem Loch sammelt, saugt sie dann immer wieder ab. Daher sprechen Biologen von einem Zeckenstich und nicht von einem Zeckenbiss.

Zecken springen die Opfer an

Nein. Zecken klettern auf Grashalme oder Büsche und nehmen ihre Jagdposition ein: Sie strecken ihre Vorderbeine aus, um mit ihrem Hallerschen Organ alle Duftstoffe in ihrer Umgebung wahrzunehmen, die Tiere und Menschen absondern – etwa Buttersäure im Schweiß oder ausgeatmetes Kohlendioxid. Streift ein Wirt den Busch oder den Halm, greift sie in die Haut, das Fell oder in die Kleidung.

Zeckenstiche schmerzen

Wer denkt, er sei noch nie von einer Zecke gestochen worden, der irrt sich oft. „Viele bekommen den Stich gar nicht mit“, sagt der Zecken-Experte Olaf Kahl von Tick-Radar, einem Forschungsinstitut in Berlin. Das liegt daran, dass die Zecken ihre Stichstellen mit ihrem Speichel betäuben. Dieser enthält auch weitere Stoffe, die dafür sorgen, dass das Blut nicht gerinnt und die Einstichstelle sich nicht entzündet. Allerdings werden mit ebendiesem Speichel auch die Krankheitserreger – vor allem FSME-Viren und Borreliose-Bakterien – übertragen.

Waschen tötet Zecken ab

Zecken sind extrem widerstandsfähig. Selbst eine Maschinenwäsche bei 40 Grad Celsius und mit Weichspüler tötet sie nicht unbedingt. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Hitzetoleranz bei Zecken etwa um die 44 Grad Celsius liegt. Wer also sicher sein möchte, dass auf seiner Kleidung keine Zecke überlebt, wäscht sie bei 60 Grad – oder nutzt den Wäschetrockner.

Zecken entfernt man mit Öl

Hände weg von Klebstoff, Alkohol, Nagellack, Feuerzeugbenzin, Öl oder Brennspiritus. Diese Mittel bringen nichts. Stattdessen sollte man die Zecke mit einer geeigneten Pinzette oder Zeckenkarte möglichst nah an der Haut fassen und gleichmäßig senkrecht herausziehen. Es spielt keine Rolle, ob die Mundwerkzeuge des Tieres in der Haut stecken bleiben. Wichtig ist vielmehr, dass dabei der Hinterleib der Tiere nicht gequetscht wird. Sonst gelangen vermehrt Erreger in die Blutbahn.