Zwei Fahrzeuge der US-Armee stehen vor einem amerikanischen Stützpunkt in der Nähe von Manbidsch in Syrien. Foto: AP

Donald Trumps Entscheidung, sich aus Syrien zurückzuziehen, begünstigt die Rückkehr des „Islamischen Staates“, kommentiert Nahost-Korrespondent Martin Gehlen.

Tunis - Gedacht war die vormittägliche Kurznachricht auf Twitter als Weihnachtsgeschenk des Weißen Hauses an die Soldatenfamilien. Am Ende jedoch verblüffte Donald Trumps elektronischer Mehrzeiler Freund und Feind rund um den Globus. Die US-Truppen kommen heim, der „Islamische Staat“ (IS) ist besiegt, der Einsatz in Syrien beendet, schrieb der US-Präsident, während das Pentagon versuchte, diesem einsamen Vorstoß seines obersten Feldherrn die Spitze zu nehmen.

Unruhe in Kauf genommen

Trump will im Nahen Osten nicht mehr den Polizisten spielen. Jetzt sollten beim Kämpfen andere ran, twitterte er an seine Kritiker in den eigenen Reihen. Die negativen Folgen für das strategische Ansehen der USA in der Unruheregion nimmt der Präsident damit bewusst in Kauf. Die europäischen Verbündeten protestieren entsetzt. Die kurdischen Mitkämpfer, die bislang unter hohen Verlusten das militärische Rückgrat gegen die Terrormiliz bildeten, fühlen sich verraten.

Trumps Lieblingsfeind Teheran dagegen frohlockt. Bei der syrischen Nachkriegsordnung haben Iran, Türkei und Russland freie Hand. Entsprechend großzügig fiel das Lob von Russlands Präsident Wladimir Putin aus. Der IS allerdings bleibt durch Trumps Entscheidung auf Jahre eine unkalkulierbare Gefahr. Seine fähigsten Gegner, die kurdischen Brigaden, werden sich nach dem Tiefschlag aus Washington in ihre nordöstlichen Heimatgebiete zurückziehen, um dort der Türkei und Recep Tayyip Erdogan die Stirn zu bieten.

IS-Kommandos könnten zurückkehren

Die kurdisch-syrische Führung könnte versuchen, der drohenden Invasion aus der Türkei mit einem Pakt mit Baschar al-Assad zu begegnen. Dann wehen syrische Regimefahnen bald wieder auf kurdischen Rathäusern und Polizeistationen. Und der Diktator von Damaskus müsste 2019 nur noch die letzte Rebellenenklave Idlib zurückerobern, um sein Land wieder völlig unter Kontrolle zu bekommen.

Ohne schlagkräftige kurdisch-amerikanische Truppen werden die IS-Kommandos bald zurück sein. Weder im Irak noch in Syrien sind sie besiegt, auch wenn die von US-Spezialkräften trainierten Syrisch-Demokratischen Streitkräfte derzeit mit dem Euphrat-Städtchen Hajin eine der letzten IS-Bastionen zurückerobern. Die Dschihadisten genießen nach wie vor Rückhalt in Teilen der frustrierten Bevölkerung.

Der nächste Konflikt ist programmiert

Die Zahl der IS-Kämpfer in Syrien bezifferte das Pentagon kürzlich auf 14 000, kaum weniger als die 17 000 im Irak, wo die Terrormiliz längst wieder offen in Erscheinung tritt. Kidnappings, falsche Straßensperren und Bombenanschläge häufen sich. 75 Terroraktionen registrieren die irakischen Behörden derzeit pro Monat, das sind mehr als während der Schlussphase des „Islamischen Kalifates“ im Jahr 2016.

Insofern ist die nächste Runde im Krieg gegen die Gotteskrieger in Syrien und Irak nur eine Frage der Zeit. Dann müssen auch die Amerikaner wieder auf dem Schlachtfeld erscheinen. Nur die kampfstarken Kurden werden sich wohl nicht noch einmal vor den Karren des wankelmütigen Donald Trump spannen lassen.