Das Klärwerk zwischen Göppingen-Faurndau und Uhingen wird erweitert. Foto: Horst Rudel

Die städtische Kläranlage leistet Pionierarbeit bei der Rückgewinnung von Phosphor, das als Dünger für die Landwirtschaft gebraucht wird. Land und EU schießen 2,2 Millionen Euro für eine neue Anlage zu.

Göppingen - Das Bewerbungsverfahren hat sich hingezogen, aber jetzt ist klar: In Göppingen wird die erste Anlage in Baden-Württemberg stehen, die in großem Stil Phosphor aus dem Abwasser der Kommune und aus dem Klärschlamm zurückgewinnt. Sie soll im Sommer 2019 in Betrieb gehen. Das Land und die EU fördern das rund zehn Millionen Euro teure Projekt mit insgesamt 2,2 Millionen. Es soll der Auftakt zu einer Zeitenwende in den Kläranlagen im Land sein.

Statt den Schlamm einfach zu verbrennen wie bisher, soll er künftig zunächst als Lieferant für Phosphor dienen. Ein Rohstoff, der als Dünger in der Landwirtschaft dringend gebraucht wird. Rund 40 Prozent des Bedarfs in Baden-Württemberg könnte über Klärschlamm gedeckt werden, sagt Jochen Gugel, der Betriebsleiter der Stadtentwässerung Göppingen (SEG). Allerdings sei die Rückgewinnung nicht ganz einfach. „Es werden beinahe täglich neue Verfahren entwickelt“, erzählt Gugel. „Aber sie haben alle ein Problem: Entweder sind sie sehr aufwendig und damit auch sehr teuer, oder sie sind günstiger, aber nicht besonders effizient.“

Göppinger setzen auf die Kombination einfacher Verfahren

Als das Land und die EU vor drei Jahren die Zuschüsse für eine Versuchsanlage zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm ausgeschrieben haben, überlegten sich die bauernschlauen Bewerber aus Göppingen deshalb einen anderen Weg als ihre Mitbewerber. „Statt auf ein besonders effizientes und teures Verfahren zu setzen, haben wir lieber zwei relativ einfache Verfahren miteinander kombiniert“, erklärt Gugel. Die bewährten Verfahren seien erprobt, vergleichsweise kostengünstig und durch die Kombination auch effizient.

Die SEG hatte sich schon länger mit dem Thema beschäftigt. Vor drei Jahren entstand in Göppingen mit Fördergeld des Landes eine Studie zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm, bei der es vor allem darum ging, die Verfahren zu optimieren und wirtschaftlicher zu machen. Nun folgt mit der neuen Anlage der nächste Schritt. Die Bauarbeiten sollen Gugel zufolge in diesem Jahr beginnen, damit die Anlage wie geplant im Sommer des kommenden Jahres in Betrieb gehen kann.

Die rund zehn Millionen Euro teure Anlage soll auf Dauer nicht nur dem Umweltschutz zugutekommen. „Auch andere Prozesse im Klärwerk werden davon profitieren“, sagt Gugel. So werde der Schlamm einfacher zu entwässern und damit leichter sein, was bei der Verbrennung der Reste Betriebskosten spare. Außerdem werde durch die sogenannte Desintegration bei der Rückgewinnung des Phosphors auch die Gasausbeute steigen, und das Klärwerk könne dadurch mehr umweltfreundlichen Strom produzieren. Das mache das neue Verfahren zwar noch nicht billig, aber es sei „ein schöner Nebeneffekt“, findet Gugel.

Der Rohstoff kommt hierzulande nicht im Boden vor

Der Phosphor, der im Klärwerk gewonnen wird, kann dann künftig von Bauern auf ihren Feldern als Dünger ausgebracht werden. Denn neu ist die Beziehung zwischen Klärwerk und Landwirtschaft nicht. Schon früher brachten Bauern wegen des hohen Phosphorgehalts Klärschlamm auf ihren Feldern aus. Doch das ist seit dem Jahr 2009 verboten, weil das Abwasser immer häufiger Schadstoffe enthielt, die in den Klärwerken nicht herausgefiltert werden konnten, Reste von Medikamenten zum Beispiel. Sie gelangten mit dem Klärschlamm dann auf die Felder.

Der Politik geht es bei dem Projekt auf der einen Seite darum, Ressourcen zu schonen, zum anderen will das Land unabhängiger von Importen werden. Denn der Dünger kommt in seiner gebundenen Form als Phosphat nur in wenigen Ländern vor: Marokko, China, Südafrika und Jordanien zum Beispiel. Bisher, so berichtet die Stadt Göppingen, importiere Europa 90 Prozent der benötigten Phosphate aus diesen Ländern. Um die Rückgewinnung voranzubringen, dürfen Klärschlämme aus größeren Anlagen von 2025 an nur noch verbrannt werden, wenn ihr Phosphorgehalt unter zwei Prozent liegt. Bis dahin sollen in Versuchsanlagen wie der in Göppingen Erfahrungen gesammelt werden, um das Verfahren wirtschaftlicher zu machen.