Vor dem Auszug: Hermann Aigner in seiner Buchhandlung Foto: factum/Granville

Nun ist endgültig Schluss: Die Buchhandlung Aigner in Ludwigsburg öffnet zum letzten Mal ihre Türen. Was wird aus den Mitarbeitern, was aus dem Besitzer, was aus dem Gebäude?

Ludwigsburg - Hermann Aigner darf man einen alten Mann nennen, ohne unhöflich zu sein: 87 Jahre ist er nun. Dass er auch klug und gebildet ist, steht außer Frage. Mehr als sechs Jahrzehnte seines langen Lebens hat Hermann in der Buchhandlung seiner Familie gearbeitet. Und doch lernt er in diesen Wochen und Tagen noch etwas dazu: Wie es ist, einen Ausverkauf zu organisieren und ein Geschäft für immer zu schließen. Es ist eine Erfahrung, auf die Hermann Aigner gerne verzichtet hätte. Oder, wie es der 87-jährige Chef selbst formuliert: „Das ist eine finale Erfahrung.“

Galgenhumor hilft

Am Donnerstag ist es soweit: „Der Aigner“ wird dicht gemacht. Um 9 Uhr am Morgen wird die Tür zum letzten Mal für Kunden aufgeschlossen und am Abend um 19 Uhr zum letzten Mal abgeschlossen. Dann ist das, was viele Ludwigsburger kaum glauben konnten, als sie im Oktober davon erfuhren, wahr. Die 215-jährige Geschichte der ehemaligen Hofbuchhandlung ist endgültig zu Ende.

Am Tag, als der Ausverkauf begann, sind die Leute in die Buchhandlung gestürmt wie früher in den Kaufhof, wenn ein Schlussverkauf begann. Die Regale sind deshalb schon seit Anfang Januar ziemlich leer. Die Restwaren passen auf einen kleinen Teil im Erdgeschoss, wo die verbliebenen Mitarbeiter, trotz allem freundlich, mit Galgenhumor das Ende abwarten. Die großen Lettern „AIGNER“, die lose auf einem Bücherboard stehen, haben sie neulich umgestellt. „REGINA“ war dann dort zu lesen, „Königin“. Und im Schaufenster hängt ein Zitat von Karl Valentin: „Die Zukunft war früher auch besser.“

Zwei Mitarbeiter suchen noch einen Job

Zwei der Aigner-Mitarbeiter arbeiten künftig bei Thalia in der Seestraße, einer wechselt zum Verlagsauslieferer Koch, Neff & Oettinger, eine Kollegin geht in Mutterschutz und eine in den Ruhestand. Zwei Angestellte haben noch keinen neuen Job. Was der Juniorchef Peter Aigner, 56, machen wird, weiß er selbst noch nicht. Und was Hermann Aigner macht, tja, das ist auch nicht ganz einfach.

Eine neue Stelle sucht er natürlich keine mehr. Eigentlich ist er eh seit 22 Jahren in Rente. Aber jemand, der trotzdem so gut wie jeden Tag in das Geschäft kam, das mal ein ganz großes in der Branche war, einer der seinen Schreibtisch dort aufgestellt hat, wo einst sein Kinderbett stand, so jemand verliert ja nun nicht nur die Arbeit. Andernfalls wäre Hermann Aigner schon längst dem Rat seines Steuerberaters gefolgt und hätte seinen Geldbeutel weniger gebeutelt. Eine Million Euro, sagt Aigner, habe er in den vergangenen zehn Jahren in seine Buchhandlung gesteckt, damit sie weiter bestehen konnte. Was also macht Hermann Aigner, der Beschließer des traditionsreiches Hauses, nun? „Was mach’sch mit 87?“, fragt er zurück und sagt, dass er sich nicht beklagen dürfe.

Was die Bank vorhat, ist unbekannt

Gut, das mit dem Skifahren und dem Tennis klappe nicht mehr; die Sprunggelenke. Aber ansonsten gehe es ihm gesundheitlich gut. Viel spazieren will er gehen, wohl auch längere Fluchten in sein Domizil in der Bretagne antreten, und lesen natürlich. Viel, viel lesen. Damit meint er nicht nur die Briefe, die ihm schockierte und traurige Kunden zum Abschied stapelweise geschickt haben.

In den braunen Regalen im Erdgeschoss liegen noch ein paar Bände von Meyers Enzyklopädischem Lexikon und ein paar andere Bücher, die nicht mal zum reduzierten Preis besonders attraktiv erscheinen. Außerdem stehen noch zum Verkauf diverse Schreibtische aus den Büros, ein riesiger Adventskranz, ein hölzernes Vogelhäuschen, Christbaumkugeln und ein glasiertes Krügchen aus Ton. „Was sich in so einem Haus alles ansammelt“, sagt Hermann Aigner, der dieses Haus inzwischen an die Kreissparkasse verkauft hat. Was die Bank damit macht, ist noch nicht bekannt. „Die Nutzung der Liegenschaft wird in unsere Planungen rund um den Schillerplatz miteinbezogen“, erklärte sie im Dezember.

Eine Gewissheit

Was immer bei den Planungen herauskommen mag, eins ist jetzt schon klar: Die Liegenschaft in der Arsenalstraße 8 wird für bestimmt sehr, sehr lange Zeit das Haus bleiben, in dem früher der Aigner war.