Ein skeptisch dreinblickender Emmanuel Macron – die CDU positioniert sich skeptisch zu seinen Ideen für eine Reform der Eurozone. Foto: AFP

Die Union zeigt Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die kalte Schulter und tritt bei der Reform der Eurozone auf die Bremse. Man dürfe nicht nur „Nein“ sagen, mahnen nun mehrere Abgeordnete.

Berlin - Es ist eine vorentscheidende Woche auf dem Weg zum EU-Gipfel Ende Juni, wo die Staats- und Regierungschefs absprachegemäß den Startschuss für eine Reform der Wirtschafts- und Währungsunion geben wollen. An diesem Dienstag erläutert der französische Staatschef Emmanuel Macron dem Straßburger Europaparlament seine Ideen, wenige Stunden später berät die Unionsfraktion im Bundestag darüber, wie weit Bundeskanzlerin Angela Merkel ihrer Ansicht nach gehen darf, wenn sie Macron am Donnerstag in Berlin empfängt und mit ihm eine gemeinsame deutsch-französische Haltung für eine auch langfristig stabilere Eurozone zu finden versucht.

Was im Koalitionsvertrag als „ein neuer Aufbruch für Europa“ angekündigt wurde, ist bereits vergangene Woche erheblich verwässert worden, als Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus ankündigte, dass wegen zu großer deutsch-französischer Differenzen „auf dem EU-Gipfel im Juni kaum Ergebnisse erzielt werden können“. Am Montag nun ist die gesamte CDU-Spitze auf einen abwartend-skeptischen Kurs eingeschwenkt, intern ist von einem „abgestimmten Prozess“ die Rede. Zwar betonte Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Vorstandssitzung mit Kanzlerin Merkel wie schon zuvor deren Sprecher Steffen Seibert, dass die CDU weiter europapolitische Ergebnisse im Juni anstreben. „Aber auch ein Aufbruch für Europa muss richtig gemacht und kritisch hinterfragt werden.“ Es gehe nicht darum, „irgendetwas zu blockieren“, so Kramp-Karrenbauer, doch müssten Reformen der Eurozone „im europäischen und im deutschen Interesse liegen“.

Konkret geht es um drei Punkte. Erstens will die Union den Euro-Rettungsfonds ESM nur dann zu einem Europäischen Währungsfonds ausbauen, wenn der Bundestags über dessen Einrichtung und Finanzhilfen entscheiden darf, mithin also ein Vetorecht behält. Zweitens wird ein gemeinsames EU-System zur Sicherung von Spareinlagen abgelehnt, ehe nicht die Risiken im europäischen Bankensektor, wie die CDU-Generalsekretärin sagte, „minimiert und beherrschbar“. Und drittens hält sie es für „nicht sinnvoll“ jetzt über einen eigenen Haushalt für die Eurozone zu reden, da der Abschluss des nächsten Finanzrahmens für die gesamte EU „Priorität“ habe. Diese Punkte, die Macrons Vorstellungen zuwider laufen, finden sich in ähnlicher Weise auch in zwei Tischvorlagen für die Diskussion in der Bundestagsfraktion an diesem Dienstag.

Mit größerem Widerstand ist zu rechnen, da ausgerechnet eine Reihe von CDU-Politikern nicht auf die neue Linie eingeschworen worden sind, die in Vorstandskreisen mit Rücksichten auf innenpolitischen Widerstand, andere europäische Partner, aber auch einem deutlich geschwächten Front National in Frankreich begründet wird. „Wir dürfen Macron nicht im Regen stehen lassen und müssen konstruktiv mit seinen Vorschlägen umgehen“, mahnt Gunther Krichbaum, der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag: „Ein CDU-Positionspapier zu Europa darf nicht nur sagen, was wir nicht wollen, sondern muss zum Ausdruck bringen, was wir wollen und worin der Aufbruch für Europa eigentlich liegen soll.“ Aktuell seien die die Papiere mit ihrem „negativen Duktus nicht beschlussfähig“, sagte Krichbaum.

„Deutschland darf nicht der europapolitische Bremser sein“, meint auch Andreas Jung, der Chef der baden-württembergischen Landesgruppe in der Unionsfraktion. Es sei „ein Glücksfall, Emmanuel Macron als Partner zu haben“, sagt Jung, der auch Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe ist. Man müsse „nicht eins zu eins seine Gedanken übernehmen, aber doch mit ihm zu gemeinsamen Ergebnissen kommen“. Brinkhaus aber bringe „einen Zungenschlag in die Debatte, der nicht meiner ist und der nicht derjenige der Union sein kann“. Die Christdemokraten hätten sich immer als „pro-europäische Kraft definiert, die offen für weitere Integration“ sein müsse. In diesem Sinn geht Jung davon aus, dass die Tischvorlage nicht zu einem offiziellen Beschluss wird – allein schon um Merkel den Verhandlungsspielraum auf EU-Ebene nicht zu sehr einzuschränken.

Für die Grünen und Teile des Koalitionspartners SPD sind die Stimmen aus der CDU dennoch ein gefundenes Fressen. „Eine Positionierung der CDU-Bundestagsfraktion gegen den Europa-Kurs im Koalitionsvertrag kann nicht im Sinne Merkels sein“, meint Franziska Brantner, die europapolitische Sprecherin der Grünen: „Sie weiß, dass Unzuverlässigkeit gepaart mit Kompromisslosigkeit pures Gift für die Handlungsfähigkeit und den Zusammenhalt Europas sind.“ Der SPD-Politiker Udo Bullmann, Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, bezeichnete die „europapolitische Rolle rückwärts“ als „inakzeptabel“.