Bei vielen Azubis führen falsche Vorstellungen bei der Berufswahl zum Abbruch der Ausbildung. Foto: dpa

Junge Menschen in Baden-Württemberg kündigen immer häufiger ihre Ausbildungsverträge vorzeitig. Ein Wirtschaftszweig ist besonders betroffen.

Stuttgart - In Baden-Württemberg lösen immer mehr Jugendliche ihre Ausbildungsverträge vorzeitig. Das belegen aktuelle Zahlen des Statistischen Landesamtes, die unserer Zeitung vorliegen. Demnach haben im Jahr 2017 insgesamt 22,5 Prozent der Auszubildenden ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst. Das ist der höchste Stand seit 2002, als die Quote in dieser Form zum ersten Mal berechnet wurde. Die Quote für 2018 liegt noch nicht vor. Damit liegt Baden-Württemberg zwar unter dem Bundesdurchschnitt von 25,7 Prozent, die Quote steigt jedoch konstant.

Enttäuschung für beide Seiten

Jeder Ausbildungsabbruch sorge für Enttäuschung auf beiden Seiten und sei einer zu viel, sagt eine Sprecherin der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart. Es gebe ganz unterschiedliche Gründe, warum Ausbildungsverträge gelöst werden: „Es kann sein, dass die Chemie zwischen Azubi und Betrieb nicht stimmt, dass beide Seiten Erwartungen hatten, die nicht erfüllt wurden, oder es gibt Lernschwierigkeiten“, so die Sprecherin.

Durch sinkende Schulabgängerzahlen einerseits und die ausgezeichnete Konjunktur andererseits gebe es zudem mehr freie Lehrstellen als Bewerber. „Deswegen ist es für Azubis, die mit ihrer Ausbildung nicht ganz zufrieden sind, zurzeit recht einfach, in einen anderen Betrieb zu wechseln.“ Besonders hoch ist mit 29,2 Prozent die Zahl der vorzeitigen Vertragslösungen im Handwerk. „Auszubildende nennen als Gründe für vorzeitige Vertragslösungen vor allem Konflikte mit anderen Auszubildenden oder mit Vorgesetzten und ungünstige Arbeitsbedingungen“, sagt eine Sprecherin des Baden-Württembergischen Handwerkstags. „Persönliche oder gesundheitliche Gründe sowie falsche Berufsvorstellungen werden ebenfalls aufgeführt.“ Die Kammern engagieren sich zunehmend für die Jugendlichen, um Ausbildungsabbrüche zu verhindern.

Keine Verbesserung

„Verbessert hat sich die Situation aber in den vergangenen Jahren leider nicht“, sagt Hans-Dieter Mechler, der ehrenamtlich jungen Leuten zur Seite steht, damit sie ihre Ausbildung nicht abbrechen. Mechler ist Regionalkoordinator der Initiative Vera (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen), die bundesweit tätig ist.

Als Hauptgründe nennt Mechler, dass Vorstellung und Wirklichkeit bei der Berufswahl häufig auseinanderklaffen und dass Jugendliche heute spontaner Entscheidungen treffen. Auch die zunehmende Zahl an Flüchtlingen in der Ausbildung erhöhe die Beratungsintensität. „Inzwischen sind rund 70 Prozent der Jugendlichen, die wir begleiten, Flüchtlinge.“ Diese seien mit den Anforderungen einer dualen Ausbildung oft überfordert.