Der Komiker Sacha Baron Cohen (links) wird vom erzkonservativen Südstaaten-Richter Roy Moore verklagt. Foto: dpa

In seiner TV-Satiresendung „Who is America?“ blamiert Sacha Baron Cohen regelmäßig Amerikas Konservative. Einer schlägt nun mit einer deftigen Klage zurück, der Richter Roy Moore aus Alabama. Moore fühlt sich arglistig hintergangen.

Stuttgart - Würde der Satiriker Sacha Baron Cohen unter seinem eigenen Namen große und kleine Prominente der USA einladen, sie würden vermutlich alle Reißaus nehmen. Aber so offen arbeitet Cohen natürlich nicht, um Menschen in Amerikas derzeit meistdiskutierte Blamageshow einladen, in seine Show „Who is America?“. Was für deutsche Augen wie eine Mischung aus den Verkleidungsmethoden des Enthüllungsjournalisten Günther Wallraff und den „Versteckte Kamera“-Scherzen wirkt, hat inzwischen etliche vor allem konservative Gäste aufs Glatteis geführt. Der in immer neue Rollen schlüpfende Cohen versucht, mit seinen Fake-Interviews Äußerungen und Aktionen zu provozieren, die das wahre Denken der Befragten bloßlegen. Nun aber wird er auf 95 Millionen Dollar Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt – vom erzkonservativen Richter und Republikaner Roy Moore aus Alabama.

Moore war unter dem Vorwand nach New York eingeladen worden, er werde einen Preis für seinen Einsatz für die Interessen des Staates Israel erhalten. Cohen saß Moore in seiner schon mehrfach zum Einsatz gekommenen Verkleidung als Erron Morad, Antiterror-Spezialist der israelischen Armee, gegenüber und stellte ihm ein Gerät vor, das die Armee als Nebenprodukt des Kampfs gegen die Hamas entwickelt habe: einen Detektor für pädophile Sexualstraftäter. Das Gerät schlug bei Moore piepend an. Der Richter stellte konsterniert fest, so etwas sei ihm noch nie vorgeworfen worden, und brach das Interview ab.

Vorwürfe sexueller Belästigung

Das Pikante an der Angelegenheit: Moore ist der Missbrauch Minderjähriger tatsächlich schon vorgeworfen worden. Als er im Jahr 2017 antrat, um in Nachwahlen einen Senatssitz in Washington zu erobern, gingen insgesamt neun Frauen an die Öffentlichkeit, die Moore sexuelle Belästigungen vorwarfen. In der Mehrzahl handelt es sich um Fälle aus den siebziger Jahren. Zwei der Frauen waren damals 16 Jahre alt, eine 14 Jahre alt. Die von Moore kategorisch zurückgewiesenen Vorwürfe spalteten die Anhängerschaft der Republikaner, Moore verlor die Wahl letztlich. Dass er im Lauf seiner Richterkarriere zweimal seines Amtes am Supreme Court von Alabama enthoben worden war, weil er ausdrücklich fundamentalistische christliche Überzeugungen über Bundesgesetze stellte, hatte ihm zuvor bei den konservativen Südstaaten-Wählern eher Sympathien eingebracht.

Vorab versuchten die Anwälte Roy Moores vergeblich, den Sender CBS und dessen Satellitentochter Showtime dazu zu bringen, die Ausstrahlung der „Who is America?“-Folge mit ihrem Klienten zu unterlassen. Die 95-Millionen-Dollar-Klage stützt sich nun auf den Vorwurf der arglistigen Täuschung: Moore sei nur vor die Kamera getreten, weil ihm das ganze Projekt vorsätzlich falsch dargestellt worden sei, seine Zustimmung zu Filmaufnahmen und Ausstrahlung sei also erschlichen und nichtig.

Eine entscheidende Klausel

Sollte sich diese Auffassung vor Gericht durchsetzen, wäre Cohens Art der Satire in den USA erledigt. Außerdem kämen vermutlich weitere erhebliche Schadenersatzforderungen anderer blamierter Gäste auf CBS und Showtime zu. Allerdings gehen die Rechtsexperten der TV-Branche davon aus, die Showtime-Verträge mit den Eingeladenen enthielten eine Klausel, die Cohen schon bei früheren Film und TV-Projekten wie „Borat“ verwendet hat. Demnach verzichten die Unterzeichnenden auf alle künftigen Klagerechte und sichern zu, sie verließen sich bei ihrem Einverständnis zur Teilnahme eben „nicht auf irgend geartete Versprechungen oder Aussagen egal von wem über das Wesen des Filmprojekts oder über die Identität jedweder anderer Teilnehmenden oder irgendwie mit dem Projekt Verbundenen.“

Mit anderen Worten: Roy Moore hat möglicherweise einen Vertrag unterzeichnet, in dem steht, es sei okay für ihn, wenn man ihn bluffe und hochnehme.