Guido Messers Vorsatz für das neue Lebensjahr: etwas langsamer machen. Foto: Stoppel

Der Bildhauer Guido Messer feiert an diesem Mittwoch seinen 75. Geburtstag – und arbeitet noch immer täglich in seinem Atelier in Korb. Seit 1982 ist er als freier Bildhauer tätig. Bereut hat er das nie, sagt aber: „von der Kunst zu leben ist ein großes Spiel“.

Korb - Wenn Guido Messer in seinem Atelier in Korb sitzt und arbeitet, hat er viele Beobachter: zum Beispiel ein wohlbeleibtes Ehepaar in einem grellbunten Badedress, mehrere Herren ohne Unterleib, ein stattliches, leuchtend blaues Nashorn, einen Gorilla mit Pfeife und einen Mops, der in einem Korbsessel thront. Keiner von ihnen macht auch nur einen Mucks – egal, ob Guido Messer Skizzen zeichnet, Metall feilt, fräst, flext, schmirgelt oder patiniert.

Sie alle sind Geschöpfe aus gegossener Bronze und seiner Fantasie entsprungen. „Ich bin immer dem Metall nachgegangen, weil es mich fasziniert hat“, sagt Guido Messer, der sich als „Metallfetischist“ bezeichnet. Als Bub habe er viel gebastelt, zum Beispiel Kupfer getrieben. Sein Vater, ein Lehrer, schnitzte gut und gerne. „Da habe ich sehr davon profitiert“, sagt Guido Messer, der an diesem Mittwoch seinen 75. Geburtstag feiert – beziehungsweise hat. Denn ein 75er ist für den Bildhauer nicht wirklich ein Grund zum Feiern. Wenn schon eine Sause, dann anlässlich einer schönen Zahl, vielleicht der 77, meint das Geburtstagskind.

Berufswunsch Künstler

Den Berufswunsch Künstler hatte er zu einer Zeit, in der andere Jungs davon träumen, Pilot, Lokführer oder Astronaut zu werden. „Mit etwa 14 Jahren habe ich gesagt, ,ich werde Künstler’“, erzählt Messer. Geboren ist er in Buenos Aires – als zweites von sieben Kindern. „Mein Vater ist in den 1930er-Jahren nach Argentinien ausgewandert und hat dort eine Schule geleitet.“

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geriet auch die Welt der Familie Messer aus den Fugen: Der Vater wurde nach Deutschland abkommandiert, seine Frau und die Kinder wurden in Portugal interniert. Im Jahr 1947 war die Familie wieder vereint und lebte in Crailsheim. Guido, damals ein sechsjähriger Steppke, besuchte die Grundschule und wechselte dann auf ein Internat in Michelbach im Landkreis Schwäbisch Hall. Später begann er bei seinem Onkel in Pforzheim eine Lehre – er wurde Goldschmied.

Ein schöner Beruf, aber Guido Messer wollte sich weiterentwickeln. Er entschied sich für die Kunst- und Werkschule in Pforzheim, denn inzwischen war längst klar: „Der Kerle hat Talent.“ 1966 wechselte Messer an die Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Sein Studium der Bildhauerei hat er sich selbst finanziert, zum Beispiel als Mitgestalter mehrerer Kirchenportale. Parallel zum Studium absolvierte er eine Lehre als Kunstgießer. Sein Wissen aus dieser Zeit kommt ihm bis heute zugute.

Was die Gesellschaft beschäftigt, beschäftigt ihn

Politisch war er ebenfalls aktiv, ging auf Demos, plakatierte und protestierte mit Kommilitonen gegen einen Rektor mit NS-Vergangenheit. „Ich komme ja aus den 60er-Jahren“, sagt Messer, dessen Arbeiten oft sozialkritisch sind, auch eine Portion Ironie gehört bei ihm dazu. Das sei ein Grund, wieso er figürlich arbeite: „Nur wenn man den Menschen darstellt, kann man eine Aussage dazu machen, wie er sich verhält.“ Generell gilt: „Was unsere Gesellschaft beschäftigt, beschäftigt auch mich.“

In den 1970er-Jahren verdiente er sein Geld als Werklehrer in Stuttgarter Jugendhäusern. „Das war keine heile Welt“, sagt er im Rückblick. Manch einen habe er im Knast besuchen müssen. Während dieser Zeit lebte Guido Messer in Stuttgart-Sillenbuch und nutzte ein ehemaliges Fotostudio als Atelier. Er lernte eine junge Frau kennen, die ein Zimmer suchte. Kurz darauf zog sie bei Guido Messer ein.

Seitdem sind sie ein Paar, und Ruth Marta Messer ist Kennerin und Kritikerin seiner Kunst in einer Person. „Ich mache meine Entwürfe und frage meine Frau oder Freunde: Kommt das rüber, was ich sagen will?“, erzählt Messer. Nein, er ist keiner, der sich nicht reinreden lässt. Er will wissen, was andere von seiner Kunst halten: „Reflexion und Feedback sind mir wichtig.“ Seine Arbeiten sind detailreich, mit Metall lassen sich sämtliche Feinheiten gießen. „Ich komme ja vom Kleinen her, bin immer noch eine Art Goldschmied.“

Freie Arbeiten sind ihm die liebsten

Seit fast 35 Jahren arbeitet Guido Messer als freier Bildhauer. Bereut hat er es nicht, aber von Kunst zu leben sei „ ein großes Spiel“. An der Kunst werde gespart, die öffentliche Hand vergebe kaum noch Aufträge. „Man ist immer knapp dran, das Konto permanent in den roten Zahlen.“ Schließlich muss er seine Güsse, abgesehen von Auftragsarbeiten, vorfinanzieren. Die freien Arbeiten seien ihm die liebsten, sagt er – aber 10 000 Euro kämen da schnell zusammen. „Ich beneide die Maler, die haben kaum Kosten“, sagt Messer, der täglich, auch am Wochenende, in seiner Werkstatt zugange ist. In Rente gehen sei keine Option: „Aber ein bissle langsamer tun.“

Im toskanischen Bergdorf Sassetta haben die Messers im Laufe von gut drei Jahrzehnten einen Skulpturengarten aufgebaut, der nach Anmeldung besichtigt werden kann. Ihre Kinder, die 30-jährige Tochter und der 31-jährige Sohn, sind zweisprachig aufgewachsen. Sein Ausgleich zur Kunst, das sei die Arbeit in der Landwirtschaft, sagt Guido Messer. Zu tun gibt es genug im Garten: Rund 120 Olivenbäume wollen gehegt und gepflegt sein.