Andreas Voßkuhle ist der Präsident Foto: dpa

Das deutsche Grundgesetz wird 70 Jahre alt. Die ARD zeigt dazu eine ungewöhnliche Diskussion zwischen Bürgern und Andreas Voßkuhle, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts.

Karlsruhe - Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, heißt es im Grundgesetzt. Doch nicht wenige Bürger haben daran ihre Zweifel. Viele wenden sich den Populisten zu und bringen selbst eine stabile Demokratie wie die deutsche in die Bredouille. Was aber denkt darüber der oberste Richter im Land, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe? Anlässlich des siebzigjährigen Bestehens des Grundgesetzes zeigt die ARD am Mittwoch einen Themenabend mit einem Spielfilm und einer Dokumentation rund um die deutsche Verfassung. Im Mittelpunkt der Sendereihe steht jedoch die ungewöhnliche Diskussionsrunde „Im Namen des Volkes – Deutschland fragt zum Grundgesetz“ (20.15 Uhr).

150 ausgewählte Bürger, die sich beworben hatten, stellen dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, Fragen rund um die Verfassung. Wie steht es um die Religionsfreiheit? Wann bekommen Menschen Asyl? Wie weit ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau? Kurze Erklärfilme und Rückblicke zu den wichtigen Momenten der vergangenen siebzig Jahre Grundgesetz untermalen die Fragerunde mit dem obersten Richter im Land.

Ein Richter, der Dinge auf den Punkt bringt

Der 56-jährige Voßkuhle ist seit 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts und gilt als ein Richter, der auch komplizierte Sachverhalte verständlich auf den Punkt bringt. Sandra Maischberger und der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam moderieren. Im Anschluss daran konzentrieren sich die Öffentlich-Rechtlichen vor allem auf ein Thema, das seit Jahrzehnten diskutiert wird – bis heute. Sowohl der Film „Sternstunde ihres Lebens“ (21.30 Uhr) als auch die anschließende Dokumentation „Als Mutti arbeiten ging“ beleuchten das Thema Gleichberechtigung.

Der Fernsehfilm von 2014 mit Iris Berben, Anna Maria Mühe und Maja Schöne erzählt im Bonn des Jahres 1948 von den politischen Auseinandersetzungen um Gleichberechtigung und Rollenverständnis von Mann und Frau. Im Mittelpunkt steht die damalige Abgeordnete und Juristin Elisabeth Selbert. Mit aller Überzeugung versucht sie den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in die Verfassung aufzunehmen. Einhellige Zustimmung gab es im männerdominierten Parlamentarischen Rat der Nachkriegsrepublik dafür nicht. Wie die Geschichte zeigt, setzte sich Selbert am Ende durch. Die Gleichberechtigung der Geschlechter wird 1949 im Artikel 3, Absatz 2 verankert.

Geschlechtergerechtigkeit als Streitthema

Dass damit die Geschlechterungerechtigkeit mitnichten erledigt war, zeigt im Anschluss an die „Tagesthemen“ die Dokumentation „Als Mutti arbeiten ging“ von Susanne Brahms und Rainer Krause. Mit Interviews und historischen Aufnahmen veranschaulichen die Filmemacher die Kluft zwischen Verfassungstext und Gesetzeslage und der Realität der Verhältnisse zwischen Männern und Frauen. Auch nach Verkündung des Grundgesetzes war es für die meisten Männer völlig selbstverständlich, dass sie ihren Beruf behielten, während ihre Frauen auf eine berufliche Karriere verzichten sollten.

Deren Aufgabe war es eher, sich um die Küche und den Nachwuchs zu kümmern und dem Ehegatten, wenn er nach Hause kam, den Tisch zu decken und die Kinder vom Hals zu halten. Dokumentarische Filmaufnahmen aus den fünfziger Jahren wirken heute fast parodistisch. Aber im Verhältnis der Geschlechter stand es um die Gleichberechtigung noch jahrzehntelang schlecht: Verheiratete Frauen in der Bundesrepublik durften ohne Zustimmung des Mannes weder ein eigenes Konto eröffnen noch eine Arbeitsstelle annehmen. Noch im Jahr 1972 waren von den Abgeordneten im Deutschen Bundestag gerade mal dreißig weiblich.

Anders, wenn auch nicht in jeder Hinsicht besser, sah das in der ehemaligen DDR aus: Die arbeitende Frau galt in dem sozialistischen Staat als gesellschaftliches Ideal. In den 50er Jahren gab es sogar eine Anti-Hausfrauen-Kampagne: Frauen, die sich auf Erziehung und den Haushalt konzentrieren wollten, waren nicht gern gesehen – ganz anders als im Westen. Um 1970 waren in der DDR 80 Prozent der Frauen berufstätig.