Zum Geburtstag gibt es eine Banane: Die „Titanic“ feiert ihren Vierzigsten Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Seit 40 Jahren nimmt diese Zeitschrift von Frankfurt aus das Land auf den Arm: Die Satirezeitschrift „Titanic“ feiert Jubiläum. Sie kann auf eine Geschichte voll zündender Ideen verweisen, die vielfach zum Tagesgespräch wurden. Und manchmal sogar vor Gericht landeten.

Frankfurt - Sie hat unzählige Politiker verärgert und sogar den Vatikan in Aufruhr gebracht. Und mehrfach schrammte die Satire-Zeitschrift „Titanic“ wegen teurer Prozesse knapp an der Pleite vorbei. 40 Jahre nach der Gründung blicken die Macher auf bewegte Zeiten zurück.

Ins Leben gerufen wurde das „endgültige Satiremagazin“ 1979 in der Nachfolge der „Pardon“ als Leitmedium der Neuen Frankfurter Schule. Neben Peter Knorr gehörte deren berühmtes Viergestirn – Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, F.K. Waechter und Hans Traxler – zu den „Titanic“-Vätern. Alles sollte anderes gemacht werden, lautete die Devise. Alles sollte infrage gestellt werden. So werden noch heute statt Leserbriefen zum Beispiel „Briefe an die Leser“ verfasst.

Inzwischen sind auch „Damen“ ausreichend lustig

Auch wenn das Magazin optisch noch immer wie eine bessere Schülerzeitung und fast ohne Anzeigen daherkommt, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan: „Titanic“ sei anfangs das Projekt dieser sehr fähigen Herren gewesen, inzwischen gebe es zum Glück auch Damen in der Redaktion, sagt der aktuelle Chefredakteur Moritz Hürtgen. Und: „Wir müssen jetzt mehr arbeiten wegen dem Internet. Das ist nicht schön.“ Dass in der Redaktion, die idyllisch in einem Hinterhof in Frankfurt-Bockenheim liegt, nur lustige Menschen im Einsatz sind, kann er so nicht sagen: „Satire ist kein Witz, sondern eher ein Handwerk – und das beherrschen wir hier sehr gut.“

Die Liste der „Titanic“-Gags ist lange, und sie spiegelt ein Stück deutsche Gesellschafts- und Politikgeschichte wider. In den 1980er Jahren wurde Kanzler Helmut Kohl als „Birne“ verspottet und aus Außenminister Hans-Dietrich Genscher wurde „Genschman“. Eine enorme Aufmerksamkeit erzielte 1988 Chefredakteur Bernd Fritz, als er bei „Wetten, dass!“ behauptete, Buntstifte am Geschmack zu erkennen. Sein Trick (er konnte durch die Augenabdeckung schielen), stand in der nächsten „Titanic“, eine der bestverkauften Ausgaben aller Zeiten.

Ein Chefredakteur kassiert heute die Kohle in Brüssel

Nach der Wende präsentierte „Zonen-Gaby“ auf dem Cover ihre „erste Banane“ – eine geschälte Gurke. Und 2000 nahm sich der damalige Chefredakteur Martin Sonneborn den Weltfußballverband vor: Am Vorabend der Vergabe der Fußball-WM 2006 schickte er ein vermeintliches Bestechungs-Fax an Wahlmänner der FIFA. Der Zuschlag ging schließlich nicht an die eigentlich favorisierten Südafrikaner, sondern nach Deutschland – welchen Anteil die „Titanic“ auch immer daran hatte.

Sonneborn war es auch, der 2004 die Satirepartei Die Partei gründete, die sich unter anderem zum Ziel setzte, die Mauer wieder aufzubauen. Heute sitzt er als deren Abgeordneter im EU-Parlament und schreibt in der „Titanic“ regelmäßig seinen „Bericht aus Brüssel“.

Der Papst hat kein Glück vorm Gericht

Aber was genau macht das Magazin aus? „Titanic“ habe oft zum aktuellen Thema die Pointe gefunden, die das voll trifft, sagt Hürtgen. „Im besten Falle ist das kein Lachwitz, sondern etwas Unbequemes. Wenn sich eigentlich niemand damit wohlfühlen kann, dann ist „Titanic“ am Stärksten.“ Aber natürlich dürfe Satire nicht alles, betont er. „Wir treten nicht nach unten und machen uns auch nicht über Minderheiten lustig.“

2012 bekam die Titanic sogar Ärger mit dem Vatikan: Als Anspielung auf die „Vatileaks“-Affäre um gestohlene Dokumente und Enthüllungen über Intrigen im Vatikan wurde Papst Benedikt auf einem Titelbild von vorne und hinten gezeigt, einmal mit gelben und mit braunen Fleck auf der Soutane. Dazu hieß es: „Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden!“ Der Vatikan setzte sich zunächst erfolgreich per einstweiliger Verfügung zur Wehr. Doch die „Titanic“ legte erfolgreich Widerspruch ein.

„Titanic“ lesen ist wie zum Zahnarzt gehen: Es tut weh

Wenige Jahre später waren auch die „Titanic“-Macher erschüttert, wegen der Terroranschläge auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris. Humor sei wichtiger denn je, hieß es damals in der Redaktion. „Je ernster die Lage, desto wichtiger der Humor.“ Fanatiker, allen voran religiöse, verachteten Komik.

Das Jubiläum feiert die „Titanic“ gleich mehrfach. Am 27. September erscheint die Geburtstagsausgabe, zudem gibt es ein Buch mit den Titelbildern. Anfang Oktober wird im Caricatura Museum in Frankfurt dann die Jubiläums-Ausstellung eröffnet, im November gibt es eine Party. Für Kurator Mark-Stefan Tietze hat die „Titanic“ in den vergangenen vier Jahrzehnten eine „eminent wichtige“ Bedeutung: „Sie hat die freie und wilde Satire in Deutschland überhaupt erst an den Zeitschriftenkiosk gebracht.“ Und: „Anhand der 40 Jahrgänge kann man so etwas wie eine alternative Chronik der deutschen Geschichte lesen.“

Was er dem Magazin zum Geburtstag wünscht? „Mir persönlich wünsche ich, dass es die Titanic noch sehr lange in Printform gibt, was natürlich in heutigen Zeiten ein wahnsinniger Wunsch ist.“ Und er hoffe, dass sie weiterhin so lustig und nervig bleibe. Das sei ein bisschen wie beim Zahnarzt: Das tue auch weh und sei nervig, „aber hinterher geht’s einem besser.“