Peter Meincke leitet die Korntal-Münchinger Musikschule seit 40 Jahren. Mehr Fotos finden Sie in unserer Bildergalerie. Klicken Sie sich durch. Foto: factum/Jürgen Bach

Der Musikpädagoge und Dirigent Peter Meincke leitet die Musikschule Korntal-Münchingen schon so lange, wie es die Einrichtung gibt: seit 40 Jahren. Das kleine Jubiläum wollte er groß feiern – doch nun macht ihm die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung.

Korntal-Münchingen - Auch die Musikschule Korntal-Münchingen steht wegen der Corona-Krise still. Im Interview spricht der Leiter Peter Meincke (67) darüber, wie es mit den Feierlichkeiten zum kleinen Jubiläum weitergeht und sich die Einrichtung trotz der Schließung öffnet.

Herr Meincke, zum 40-Jahr-Bestehen der Musikschule waren acht Veranstaltungen geplant. Dann kam die Corona-Krise. Was bedeutet das für die Einrichtung?

Viele dieser Veranstaltungen können wir zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Jahr nachholen. Im Juli ist ja noch ein Campus-Fest in Münchingen geplant. Das wird, wenn es denn stattfindet, dann etwas reichhaltiger sein.

Sobald das öffentliche Leben wieder hochfährt, dürften viele Veranstaltungen nachgeholt werden – und Veranstaltungsorte voller sein denn je. Wird die Musikschule Prioritäten setzen?

Alles wird man sicherlich nicht nachholen können. Wir werden das von Fall zu Fall entscheiden.

Was wird am Ende des Jahres vom runden Geburtstag übrig geblieben sein?

Ich hoffe auf viele gesund gebliebene Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Eine schöne Festschrift ist erschienen, und vielleicht können unsere großen Veranstaltungen im Herbst unbeschadet über die Bühne gehen: das große Beethoven-Konzert im Oktober und das geplante Broadway-Musical „Bye Bye Birdie“.

Wie hoch werden die finanziellen Verluste durch die Schließung sein?

Dazu kann man heute noch keine Aussage treffen. Sollten wir nach Ostern wieder normal unterrichten können, werden die wenigen ausgefallenen Stunden vom März entweder schon durch unser Ersatzangebot kompensiert sein. Es gibt auch Unterrichtsformen, bei denen es eine Gebührengutschrift geben müsste. Ob die Musikschule letztlich große Verluste verzeichnen muss, hängt auch davon ab, inwieweit wir Ersatz aus anderen Quellen bekommen könnten wie eventuelle Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz oder zusätzliche Hilfsangebote unserer Zuschussgeber.

Wie sieht das Ersatzangebot aus?

Wir halten mit den Schülern Kontakt über Telefon oder auch Video-Telefonie. Ein wirklicher Unterricht ist so nicht möglich, als Ersatzangebot in Krisenzeiten ist dieser Kontakt aber durchaus willkommen. Für einen kurzen Zeitraum wie jetzt vor den Osterferien haben dies viele Lehrkräfte versucht. Allerdings haben nicht alle Lehrer und Schüler die adäquaten technischen Voraussetzungen. Auch viele rechtliche Fragen sind nicht endgültig gelöst, sodass wir bei einer längeren Dauer der Corona-Krise auch über Gebührenerlass oder Nachholstunden im Laufe des Jahres nachdenken müssen.

Sie leiten die Musikschule, seitdem sie gegründet wurde. Wie hat sie sich in den vergangenen vier Jahrzehnten entwickelt?

1980 haben wir mit circa 300 Schülern und einem Jahresetat von 300 000 Mark begonnen. Heute haben wir gut 1700 Schüler und einen Jahresetat von fast 1,3 Millionen Euro. Bis auf kleine Ausnahmen sind alle Beschäftigten auch sozialversichert. Unser Wachstum ist zum einen einer Ausweitung im vorschulischen Bereich zu verdanken, zum anderen der größeren Zahl von Kooperationen mit den Schulen – aber auch den Erfolgen beim Wettbewerb Jugend musiziert. Das ist eine gute Werbung.

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An den Grundschulen im Land fehlen Musiklehrer. Haben Sie eine Erklärung für den Mangel?

Dieser Mangel herrscht schon lange. Es gab in vielen Jahren keine Schulpolitik, die dies grundlegend ändern wollte. Ein Schulrat nannte mir vor vielen Jahren als Grund für den Mangel, dass damals an den Grundschulen im Unterschied zum Gymnasium nur nach Note und nicht fachbezogen eingestellt wurde, er bekäme immer nur Deutsch- und Erdkundelehrer. Insgesamt gab es an den Schulen in den vergangenen Jahren eine immer stärkere Konzentration auf die Kernfächer.

Könnten die Lehrer der Musikschule nicht auch an Grundschulen unterrichten?

Da gibt es Modelle. Anfangs waren diese aber absurd, eine Unterrichtsstunde wurde mit nur sieben Euro vergütet. Inzwischen können die Grundschulen Musikschullehrer hinzuziehen, jedoch nicht als vollwertigen Ersatz für fehlende Musiklehrer im Klassenunterricht.

Hat auch die Musikschule Schwierigkeiten, Lehrer zu finden?

Im Moment gibt es kein Problem, Lehrkräfte zu finden. Dass diese Lehrer nicht Grundschullehrer werden wollten, liegt sicherlich auch an der Stellung des Faches Musik in der Grundschule. Zeitweise war das Fach Musik sogar in einem Fächerverbund untergegangen. Außerdem sind die Hürden sehr groß: Ich selbst habe zum Beispiel die Qualifikation, Musik an einem Gymnasium zu unterrichten, an einer Grundschule dürfte ich allerdings so ohne Weiteres nicht unterrichten.

Wegen des Lehrermangels führt der Musikunterricht oft ein Schattendasein an Grundschulen. Welchen Stellenwert hat Musik in unserer Gesellschaft?

Musik hat in unserer Gesellschaft durchaus einen hohen Stellenwert, die Schulpolitik hat hingegen in den vergangenen Jahrzehnten das Fach Musik in den Schulen eher zurückgefahren. Deshalb habe ja auch ich aus dem Schuldienst zur Musikschule gewechselt. Leider müssen wir für unseren Unterricht nicht geringe Gebühren erheben, sodass wir wieder einmal an dem Punkt angelangt sind, dass in unserem Lande die Bildungschancen in diesem Bereich vom Einkommen der Eltern abhängen. Im Jahr 1980 gab es noch 20 Prozent Landeszuschuss und einen Zuschlag des Landkreises, also insgesamt 27 Prozent Zuschuss. Bis vergangenes Jahr waren das über viele Jahre noch knapp zehn Prozent.

Somit dürfte sich Ihre Freude über die Erhöhung der Landesförderung für Musikschulen von 20 auf jetzt rund 24 Millionen Euro in Grenzen halten.

Wie schon erwähnt, hat das Land die Musikschulförderung in meiner Schulleiterzeit mehr als halbiert. Jetzt kommt dieses Jahr endlich wieder eine kleine Korrektur nach oben – dies entspricht etwa 1,5 Prozent unseres Gesamthaushaltes. Wir wollen dies einerseits den Eltern zu Gute kommen lassen und die Gebühren in diesem Jahr nur sehr geringfügig erhöhen. Außerdem sollen die Lehrkräfte eine ordentliche Gehaltserhöhung bekommen, da sie in den Jahren sinkender Landeszuschüsse viele Einbußen hinnehmen mussten. Insofern kann man zwar von einer Erhöhung reden, im Grunde ist es eher der Beginn einer Wiedergutmachung.

Wohin wird sich die Musikschule in den nächsten Jahren entwickeln?

Vor wenigen Wochen hätte ich noch eine große Zunahme der Schülerzahlen prognostiziert, da in unserer Stadt einige Neubaugebiete entstehen. Wie sich allerdings die derzeitige Krise auf die Zukunft auswirkt, kann niemand vorhersagen. Langfristig würde ich mir wünschen, dass die musikalischen Bildungsangebote weiter zusammenwachsen, institutionelle Hürden abgebaut werden und dies alles zu Gunsten einer musikalischen Bildung, die für alle erreichbar wird.

Warum sollten Kinder musizieren?

Musik gehört zum Leben. Fast jeder hört Musik, also sollte hierzu auch ein Bildungsangebot bestehen. Es gibt unzählige Studien, die belegen, dass das Erlernen eines Musikinstrumentes die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten begünstigt, die Lernfähigkeit fördert. Im Kontext der Musikschule kommen soziale Faktoren wie Teamfähigkeit hinzu, diese wird im Ensemblespiel gefördert.

Ausgezeichneter Musiker wirkt in historischem Gebäude

Der Chef Peter Meincke wurde 1953 in Waiblingen geboren. Er studierte Schulmusik und Gesang, Dirigieren sowie Musikwissenschaften. Direkt nach der Ausbildung übernahm er die Leitung der 1980 gegründeten Musikschule und prägte ihr vokales Profil: Mit dem Kammerchor etwa führte Meincke die bedeutendsten Werke der Oratorienliteratur auf. Im Landesverband der Musikschulen leitet er das Forum Gesang und ist für dieses Fach beim Landesmusikrat im Wettbewerb Jugend musiziert verantwortlich. Auch wird Meincke regelmäßig als Solist verpflichtet und wirkt im Montanarachor mit, derzeit auch als Geschäftsführer. 2010 ernannte ihn die Stadt Korntal-Münchingen zum Musikdirektor. 2013 würdigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Meincke mit der Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg.

Das Gebäude Die Musikschule ist in der Johannes-Daur-Straße in der AltenLateinschule beheimatet. Diese blickt auf eine lange Geschichte zurück. 1892 erhielt die Gemeindelateinschule in der früheren Bahnhofstraße aus Platzgründen das erste von Grund auf neue Schulgebäude in der noch nicht allzu langen Korntaler Geschichte (Korntal wurde 1819 gegründet). „Und hier hat seither immer Schulbetrieb stattgefunden, allerdings in einer sehr wechselvollen Art und Weise“, berichtet der Stadtarchivar Alexander Brunotte. 1909 wurde das Gebäude erweitert. 1937 wurde die Schule in ein Vollgymnasium in Trägerschaft der politischen Gemeinde umgewandelt, 1940 gab es die erste Abiprüfung. „Nach dem Krieg ging die Schule wieder in die Regie der Brüdergemeinde über, wobei sie aber ihren öffentlichen Charakter beibehielt“, sagt Brunotte. 1958 konnte das neue Gymnasium in der Charlottenstraße bezogen werden. In die frei gewordene Lateinschule kam erst das Mädchenprogymnasium, bis 1993 dann eine Sonderschule für lernbehinderte Kinder. Seit 1980 ist die Musikschule drin, und auch die Volkshochschule befindet sich dort.