Die barocke Pracht von Ave Maria ist der Stukkateursarbeit von Johann Ulrich Schweizer dem Älteren zu verdanken. Foto: Horst Rudel

Vor 300 Jahren ist bei Deggingen mit dem Bau von Ave Maria begonnen worden. Damals konzentrierten sich besondere handwerkliche Begabungen im Täle. Ist ein solch besonderer Ort eigentlich nur etwas für Katholiken?

Deggingen - Man muss nicht katholisch sein, um den besonderen Geist zu spüren, der Ave Maria umweht. Bei der Bikermesse sei er eigentlich jedes Jahr dabei, sächselt Herbert Langer (64), und seine Frau Monika (63) nickt. Seit 16 Jahren lebt das Paar in Gammelshausen, aufgewachsen sind die Beiden im real existierenden Sozialismus. Zur Kirche haben sie keinen Bezug, zu Ave Maria schon. „Wenn wir vorbei fahren, halten wir an, gehen hinein und zünden eine Kerze an“, sagt Langer. Und vielleicht habe man sogar Glück und begegne einem Kuttenträger. „Da kann man interessante Gespräche führen.“

Der Baumeister heiratet eine Bürgerstochter

Pater Felix ist so ein Kuttenträger. Priester sieht man meist von einer Kirche zur nächsten eilen. Doch Felix und seine Mitbrüder sind da. Jetzt bereiten sie die Feierlichkeiten zum 300-jährigen Bestehen des Gotteshauses vor. Es sei ein Gemeinschaftswerk gewesen, was damals zwischen 1716 und 1718 in einem erhöhten Waldwinkel zu Füßen des Steilabfalls der Alb unter der Regie von Christian Wiedemann erbaut worden sei. Der berühmte Klosterbaumeister war in Deggingen kein Unbekannter. Zehn Jahre lang hatte er dort gelebt und 1700 eine Bürgerstochter geheiratet. Die Pfarrkirche im Dorf stammt von seinem Vater.

Besondere handwerkliche Begabungen konzentrierten sich damals in Deggingen und den umliegenden Orten. Der reich stuckierte Hochaltar stammt von Johann Ulrich Schweizer, das Deckengemälde schuf Josef Wannenmacher, die Kanzel formte Georg Geser aus Drackenstein.

Die Kraft der heilenden Quellen

Der Standort hoch über dem Dorf war aber schon lange davor ein besonderer. Weiter oben finden sich die Reste von Alt-Ave, dem gotischen Vorgängerbau. Die dort entspringenden Quellen sollen heilend wirken und Kraft geben. Aberglaube? „Früher gab es keine Medikamente“, sagt Pater Felix. „Dass sich so etwas dann ins Religiöse bewegt, ist ja klar.“

Und was schon auf Menschen ohne Konfession Eindruck macht, wirkt noch stärker auf Katholiken. Viele haben ihre Erinnerungen: an die Sonntagsspaziergänge hinauf, an die beeindruckenden Predigten der Padres und an die überfüllten Sonderzüge, die auf der Tälesbahn bis nach Deggingen tuckerten. Noch heute herrscht zur Wallfahrtszeit im Mai Hochbetrieb. Über das Jahr ist die Kirche mit Hochzeiten gut belegt, 53 Trauungen waren es im vergangenen Jahr, an manchen Samstagen sind es vier nacheinander.

Die Beichte hat Hochkonjunktur

Und an normalen Tagen? „Wenn man etwas auf dem Herzen hat, kommt man herauf zum Beten“, sagt Rosemarie Heller. Die 76-Jährige ist zusammen mit ihrer Cousine von Mühlhausen hergefahren und hat bei einem der Kapuzinerbrüder die Beichte abgelegt. Dann ist Messe, danach hat Pater Felix an diesem Mittwochnachmittag noch einmal sechs Beichten. „Es wird eher wieder mehr“, sagt der 71-Jährige. Die Menschen brauchten so etwas – und auch einen besonderen Ort wie Ave Maria.