Auf dem Marktplatz in Leonberg haben Hebammen über die geplante Schließung der Gynäkologien und Geburtshilfen in den Kreisen Böblingen und Calw informiert. Foto: Simon Granville

Die Gynäkologien und Geburtshilfen in Leonberg und Calw sollen geschlossen werden. Hebammen aus den Kreisen Böblingen und Calw lassen sich das nicht gefallen und machen in Leonberg mobil.

Die erste Besucherin, die am Samstag zum Stand kommt, hört zum ersten Mal von den Plänen des Klinikverbunds Südwest, die Gynäkologien und Geburtshilfen in Leonberg und Calw zu schließen – und in Herrenberg sogar das ganze Krankenhaus dichtzumachen. „Das wundert uns“, sagt die Hebamme Elisabeth Klein, schließlich werde darüber viel berichtet. Nichtsdestotrotz, genau deswegen stehen Vertreterinnen der AG Zukunft der Geburtshilfe Böblingen/Calw auf dem Marktplatz: Um zu informieren, was aus ihrer Sicht geschieht, wenn der „Kahlschlag“ in der Geburtshilfe in den Landkreisen tatsächlich erfolgt. Ein Gutachten sieht Geburten im Klinikverbund künftig nur noch in Böblingen in der dann neuen, bis zum Jahr 2026 fertigen Flugfeldklinik und Nagold vor.

„Wo sollen all die Geburten hin?“

Laut den Hebammen hat das gravierende Folgen. Sie kämpfen daher für den Erhalt der Standorte – und sollte das Aus unumgänglich sein, wollen sie bei der Neugestaltung mitreden, damit es auch künftig eine „geburtsförderliche Umgebung“ gibt. Ihnen sei klar, betonen die Hebammen, dass Rentabilität wichtig sei – „aber man kann nicht drei Häuser platt machen“, sagt Elisabeth Klein. 2400 Geburten in den Kreisen Böblingen und Calw seien nicht versorgt, kommen die Pläne wie vorgesehen. Wo all die Geburten hinsollen, fragt sich auch Martina Lenhardt.

Von 78 Betten sollen 48 übrig bleiben

Schon jetzt seien alle Abteilungen der Geburtshilfe im Klinikverbund zeitweise überlastet, würden viele Kliniken Schwangere mit Wehen regelmäßig abweisen. Die 78 Betten auf 48 zu reduzieren, verschlechtere die Entbindungssituation massiv. Böblingen könne die Zuwächse nicht auffangen. Dort müssten mehr Betten her – oder es seien Kooperationen nötig. Zumal die Hebammen fürchten, dass sich etliche Kolleginnen verabschieden, nicht zuletzt wegen des längeren Fahrtwegs. Derzeit seien Leonberg und Herrenberg im Kreißsaal gut besetzt.

Alle drei von der Schließung betroffenen Kliniken sind babyfreundlich zertifiziert, Leonberg und Herrenberg haben außerdem hebammengeführte Kreißsäle mit einer intensiven Eins-zu-Eins-Betreuung. Die Geburt dort ist familiärer und gibt den Schwangeren mehr Privatsphäre, bietet aber zugleich die Sicherheit einer Klinikgeburt. „Die Frauen kommen aus gutem Grund zu uns“, sagt Elisabeth Klein. Mit der Realisierung der Umbaupläne würden alle bewährten Angebote „abgesäbelt“. Sie eins-zu-eins zu übertragen, sei nicht möglich. Zertifikate müssten etwa neu beantragt werden, Böblingen beispielsweise habe mit dem Fokus auf etwa Frühchen andere Schwerpunkte. „Wir gehen rückwärts und beginnen bei Null.“

Fataler Stress in der Schwangerschaft

Fataler Stress in der Schwangerschaft

Die Hebammen machen sich Sorgen um die werdenden Mütter und deren Babys angesichts der ihrer Meinung nach drohenden schlechten oder zumindest schlechteren Versorgung. Qualität gehe verloren, Familienfreundlichkeit sinke. Dabei sei ein guter, gesunder Start ins Leben enorm wichtig. So könne Stress in der Schwangerschaft das Neugeborene schädigen, stehe in Verbindung zur späteren psychischen Gesundheit. Stress gilt laut Studien als wesentlicher Risikofaktor für Depressionen und andere Krankheiten. Daran ändert für die Hebammen auch die angestrebte Ambulantisierung nichts: Sowohl Frauen- als auch Kinderärzte und Hebammen seien bereits überlastet.

Die Landräte der beiden Kreise sowie der Chef des Klinikverbundes verteidigen die Medizinkonzeption. Diese verbundweite Konzentration stelle die Versorgung auf eine zukunftssichere Basis, um den drohenden Wegfall der Leistungen zu verhindern.